© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/08 21. März 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Religionsfreiheit
Karl Heinzen

An den finnischen Kommunalwahlen im Herbst möchte sich auch die neu gegründete Islamische Partei beteiligen. Zwar scheint es durchaus vorstellbar zu sein, daß sie die dazu erforderlichen Unterstützungsunterschriften beibringen kann, doch werden ihre Chancen, an den Wahlurnen zu reüssieren, eher als gering eingeschätzt. Dennoch ist das Aufsehen, das sie erregt, groß, da sie angeblich ein recht radikales Programm vertritt.

Bei genauerem Hinsehen ist diese Einschätzung allerdings kaum nachvollziehbar. Der Parteivorsitzende Abdullah Tammi fordert so zum Beispiel, den Sexualkundeunterricht aus den Schulen zu verbannen, da es Sache der Eltern sei, hier für Aufklärung zu sorgen. Dies ist keineswegs außergewöhnlich, soll es in Europa doch auch immer noch Christen geben, die einen ähnlich antiquierten Standpunkt vertreten. Ferner möchte die Islamische Partei, daß der Verkauf von Bier in Supermärkten verboten wird und nur noch in jenen staatlichen Spezialgeschäften erfolgt, die der Bürger bereits heute aufsuchen muß, wenn er Hochprozentiges erwerben möchte. Auch fanatischer Anti-Alkoholismus ist aber nicht unbedingt ein Indiz für eine bedrohliche Taliban-Gesinnung. Nicht zuletzt Astrid-Lindgren-Leser wissen, daß er gerade in den skandinavischen Ländern eine autochthone Tradition hat.

Es dürften also in Wirklichkeit gar nicht so sehr die programmatischen Inhalte sein, die die Finnen mit Befremden auf ihre Islamische Partei blicken läßt. Eher ist zu vermuten, daß die Herkunft der Mitglieder für Irritationen sorgt. In großer Zahl handelt es sich bei ihnen nämlich nicht um Zuwanderer oder deren Nachfahren, sondern, den Parteivorsitzenden eingeschlossen, um alteingesessene Konvertiten. Das populistische Argument, Fremde, die eine Integration wünschen, hätten sich den Landessitten anzupassen, läßt sich daher gegen diese Partei nicht in Stellung bringen.

Vielmehr muß es ein demokratischer Rechtsstaat akzeptieren, wenn sich Bürger für ein religiöses Bekenntnis ihrer Wahl entscheiden, auch wenn dieses bislang einem anderen Kulturkreis zuzurechnen war. Ist aber der Islamischen Partei Finnlands vielleicht wenigstens Fremdenfeindlichkeit zu unterstellen, da sie sich ja zumindest indirekt gegen jene Muslime mit Migrationshintergrund wendet, die ihren alten Glauben durch allzu geschmeidige Anpassung verwässern? Gerade in Deutschland sollte dieser Debatte hoch im Norden Europas besondere Beachtung geschenkt werden, da sie Entwicklungen vorwegnimmt, die uns erst noch bevorstehen.

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