© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/08 21. März 2008

Ein libertärer Anarchist
Uwe Timms Erinnerungen
Werner Olles

Biographie eines unbequemen Libertären" lautet der Untertitel von Uwe Timms "Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit". Und dieser in der Tat auf ihn zutreffenden Beschreibung wird der Autor auch gerecht. Zur "mittleren Generation" des Anarchismus in Deutschland zählend, erfuhr er seine politische Sozialisation in den vierziger und fünfziger Jahren. Ohne etwas zu beschönigen erzählt Timm über seine Kindheit und Jugend unter dem Hakenkreuz. Da er aus einer antinationalsozialistischen Familie stammte, hatte seine Begeisterung über den Dienst bei Jungvolk und HJ zwar Grenzen, doch stilisiert er sich auch nicht gleich zum Widerstandkämpfer.

Die Zeit nach 1945 beschreibt er als eine "Ära voller Hoffnungen und Erfolge, aber auch mancher Enttäuschung". Diktatur und Krieg waren vorbei, doch blieben die Stunden im Luftschutzkeller und die Kinderlandverschickung, aber auch die Nachkriegsnot noch lange als Trauma im Unterbewußtsein. Timm machte eine Lehre als Maschinenbauer und besuchte nach Dienstschluß die Technikerschule. Sein erstes politisches Betätigungsfeld fand er schließlich in der Jugendbewegung bei der Freigeistigen Jugend und der Genossenschaftsjugend. Doch schon bald machte er die schmerzliche Erfahrung, daß eine nonkonformistische Gesinnung der eigenen Karriere nicht gerade förderlich ist. Ohnehin war sein Vertrauen zu Parteien und auch zu den Gewerkschaften nicht groß, dazu kam, daß ihm gerade bei vielen Linken ihre "äußerst diffuse, dubiose Haltung zum Staatssozialismus im Osten" mißgefiel.

Die naive Idealisierung des Kommunismus kritisierte Timm auch bei den 68ern. Strikt wehrte er sich gegen die Bezeichnung der Außerparlamentarischen Opposition und der Studentenbewegung als Anarchisten, hatten sie doch alle keine Beziehung zum Anarchismus, den er in der Nachkriegszeit bei den verschiedenen libertären Gruppierungen oder bei der Zeitschrift Die freie Gesellschaft schätzen gelernt hatte. Zudem hatte die "Neue Linke" von den wichtigsten Schriften der Theoretiker des Syndikalismus wie Rudolf Rocker und den anarchistischen Klassikern wie Bakunin, Kropotkin, Proudhon, Malatesta und Gustav Landauer keine Ahnung. Als Höhepunkt dieser Begriffsverwirrung nennt Timm die Bezeichnung der RAF-Terroristen als "Anarchisten" durch die Medien.

Als libertärer Anarchist an der Schnittstelle zwischen Individualismus und Liberalismus repräsentiert der Autor bis heute eine solitäre Position innerhalb der anarchistischen Bewegung.

Uwe Timm: Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit. Biographie eines Unbequemen. Oppo-Verlag, Berlin 2007, broschiert, 208 Seiten, 19 Euro

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