© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/08 28. März 2008

Deutsche Mediendienste: Das Internet versetzt ein ganzes Marktsegment in Turbulenzen
Zwischen Baum und Borke
Hartwig Osten

Sie sind Insider-Publikationen in der Medienlandschaft und nennen sich "Dienste". Sie wetteifern untereinander um die schnellste, aktuellste und interessanteste Information. Dabei müssen sie seit Jahren zur Kenntnis nehmen, daß ihr größter Konkurrent nicht mehr der aus Hamburg, München oder Frankfurt/Main ist, sondern schlicht und ergreifend aus dem Internet kommt. Zudem hat das unentbehrliche Anzeigengeschäft erheblich Federn lassen müssen.

Als die Dienste kontakter, text intern oder kress report gegründet wurden, gab es das Internet noch nicht. Da wurde der Konkurrenzkampf ausschließlich auf dem Papier ausgetragen. Heute kommen diese Publikationen im DIN A4-Format mit Auflagen um die 2.000 Exemplare und mit zweimal wöchentlicher, wöchentlicher oder 14täglicher Erscheinungsweise nicht umhin, im Internet eine zusätzliche Tagesaktualität anzubieten - und machen sich dabei zugleich selbst Konkurrenz.

Vorreiter war in den sechziger Jahren Waldemar Schweitzer, der Gründer der Verbraucherzeitschrift DM, mit dem Dienst aus unseren kreisen. Dort heuerte Günther Kress an, der sich später mit seinem Dienst kress report selbständig machte und sich auf seinen einseitig bedruckten Seiten als "Dienstmann" vorstellte (so hießen damals die Gepäckträger bei der Bahn).

kress report übernahm der Journalist  und Rechtsanwalt Thomas Wengenroth, der jüngst im Alter von 42 Jahren "den wirtschaftlich angeschlagenen Branchendienst" (Bild-Online) rückwirkend zum 1. Januar 2008 an den Londoner Fachverlag Haymarket (u.a. PR Week, Campaign) weiterreichte.

Die Engländer sind auch auf dem deutschen Markt aktiv. Vom Standort Hamburg aus geben sie mit rund 90 Mitarbeitern ein Dutzend Titel, darunter den PR Report, heraus. Heidelberg soll weiter kress-Sitz bleiben.

Auch Hartmut Ohm hat nach 18jähriger Herausgabe seinen von ihm gegründeten Hamburger Dienst medien aktuell verkauft - an die VID-Verlagsgruppe (Czerwensky intern) in Langenfeld. Ohm war zuvor verantwortlicher Redakteur bei text intern, der vor wenigen Monaten zwischen Baum und Borke hing: Nach dem Tod des Alt-Verlegers Ludwig ("Lutz") Böhme und des geschäftsführenden Gesellschafters Joachim Preigschat war der Dienst unversehens ohne Kopf. Neue Chefin wurde schließlich die frühere Preigschat-Assistentin Regina Hornung, die alle Anteile übernahm - dem Vernehmen nach unentgeltlich. Das Blatt hätte sonst liquidiert werden müssen.

In Hamburg erscheint zudem new business, von dem früheren Zeit-Werbeleiter Erwin Koch gegründet und von Peter Strahlendorf fortgeführt. Strahlendorf konnte das wirtschaftliche Risiko durch die Übernahme eines Pressefachverlags mit vorwiegend vertriebsorientierten Publikationen abfedern.

Von Hamburg nach München an den Europa-Fachpresse-Verlag (EFV) verkauft wurde der kontakter, der dort in der abgesicherten Obhut des wesentlich größeren Bruders w&v - Werben & Verkaufen (30.000 Auflage) erscheint. Obwohl seit Jahren in roten Zahlen, wird dem kontakter hausintern aus Konkurrenzgründen ein weiteres Überleben garantiert.

Der EFV, eine Tochter des Süddeutschen Verlags (Süddeutsche Zeitung), sieht sich derweil mit Verkaufsgerüchten konfrontiert: Mutter SV wurde vor kurzem von der Südwestdeutschen Medien Holding (SWMH) in Stuttgart übernommen - einem beinahe unübersichtlichen Konglomerat aus diversen Regionalzeitungs-Verschachtelungen wie Die Rheinpfalz (Ludwigshafen), Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten, Südwest Presse (Ulm) und Schwäbische  Zeitung (Leutkirch). Die SWMH wird entscheiden, ob sie den SV-Fachverlag weiterführen oder abstoßen will.

Gesichert scheint dagegen das in Frankfurt/Main im Deutschen Fachverlag in einer Auflage von 15.000 Exemplaren erscheinende w&v-Pendant Horizont, auch wenn die Gesellschafter laut Testament der verstorbenen Senior-Verlegerin Eva Lorch nach einer Übergangszeit ihrer Pflicht entbunden werden, ihre Anteile nicht zu veräußern. Schließlich rangiert Horizont nach der Lebensmittel Zeitung und der TextilWirtschaft an dritter Stelle des Unternehmensgewinns.

Einzig der Mediendienst DWDL.de  aus Köln erscheint ausschließlich im Internet. Mit vier Redakteuren an Bord darf ihn jeder jederzeit kostenlos einsehen und studieren. Gesellschafter sind neben Chefredakteur und Geschäftsführer Thomas Lückerath mit 20 Prozent die Kölner Mistral Media AG mit 60 Prozent der Anteile. Mit den verbleibenden 20 Prozent hat sich vor kurzem der frühere Bild am Sonntag-Chefredakteur und spätere Medienberater Michael Spreng an dem Unternehmen beteiligt.

Auch für andere, noch zweigleisig (Druck und Internet) fahrende Mediendienste dürfte der ausschließliche Auftritt im Internet über kurz oder lang die Zukunft sein.     

Foto: Edgar Degas, Porträt des Journalisten Édmond Duranty (Pastell, 1879): Zeitschrift oder Internet

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