© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/08 11. April 2008

Die Angst vor dem Desaster
Parteien: Unpopuläre Entscheidungen und handwerkliche Fehler haben die CSU wenige Monate vor der Wahl in Bayern in eine Krise gestürzt
Paul Rosen

Eine Partei in Angst: Ausgerechnet die kampferprobte und siegesgewohnte CSU befürchtet bei den bayerischen Landtagswahlen im September ein Desaster. Die Führung wirkt zerstritten, die zweite Garde ratlos. Ein halbes Jahr nach seinem Rückzug droht das Erbe von Edmund Stoiber zu zerfallen. Putschgerüchte machen die Runde.

Das größte Erbe von Stoiber ist die vor fünf Jahren errungene Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Daß die Weiß-Blauen im Herbst wieder auf ähnliche Größenordnungen kommen, glaubt niemand mehr. Das Führungstandem aus Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein hofft noch auf "50 plus" Prozent, obwohl die Sorge stärker wird, daß es auch durchaus 50 minus x Prozent werden könnten.  Die Gründe sind bekannt.

Rauchverbot: In den unruhigen Tagen des Übergangs von Stoiber auf Beckstein beschloß die CSU-Landtagsfraktion das schärfste Rauchverbot in ganz Deutschland. Selbst auf dem Oktoberfest sollte nicht mehr geraucht werden dürfen. Viele Bayern laufen Sturm dagegen (JF 3/08) und verlangen die Rettung der Wirtshauskultur im Freistaat. "Die CSU hat einem Drittel der Wähler den Stuhl vor die Tür gesetzt. Und die Stammtische in den Wirtshäusern zerschlagen, einst Bollwerke ihrer Macht in der Provinz", wunderte sich Hans-Ulrich Jörges im Stern, der wahrlich kein CSU-freundliches Blatt ist, über den bayerischen Hang zur Selbstzerstörung. Jetzt wird das Rauchverbot etwas gelockert.

Transrapid: Beckstein fuhr nach Berlin, um sich bei Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) den Einstellungsbeschluß der Transrapidstrecke vom Münchener Hauptbahnhof zum Flughafen abzuholen. Grund war eine plötzliche Verdoppelung der Kosten. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer warf Beckstein danach vor, das Aus für die Strecke zu voreilig verkündet zu haben.

"Peter Ramsauer hat mir keine andere Lösung vorgeschlagen", schimpfte Beckstein. Zurück bleibt ein verheerender Eindruck: Ein bayerischer Regierungschef fährt nach Berlin, um sich von einem zweitrangigen SPD-Politiker die Beerdigung eines der wichtigsten Investitionsvorhaben im Freistaat ankündigen zu lassen. Alle Vorgänger von Beckstein hätten diese Sache nur unmittelbar mit der Kanzlerin verhandelt und vorher eine heftige Koalitionskrise ausgelöst. Statt dessen schwieg der bayerische Löwe und zog sich zum Wundenlecken zurück.

Landesbank: Um die Verluste der Landesbank, die von zunächst wenigen Millionen Euro auf inzwischen vier Milliarden wuchsen, führten Beckstein und Huber eine Schmierenkomödie auf. Während Huber in Urlaub war, ließ Beckstein die Zahl von vier Milliarden, nach der ihn ein Journalist fragte, undementiert. Offenbar wußte der Ministerpräsident schon die Zahl, die erst nach Hubers Rückkehr bekanntgegeben werden sollte. Huber war sauer, meinte aber auch: "Von einem Zerwürfnis (mit Beckstein) kann keine Rede sein." Übrig blieben aber der Verdacht, daß das Tandem lieber gegeneinander statt miteinander arbeitet, und ein Untersuchungsausschuß des Landtags, der klären soll, ob Huber es mit der Wahrheit über die Landesbank-Zahlen nicht so genau genommen hat.

Pendlerpauschale: Huber will sich in der Koalition dafür einsetzen, daß Arbeitnehmer ihre Fahrtkosten zur Arbeit wieder vom ersten Kilometer an steuerlich geltend machen können. Dabei hatte die CSU der Einschränkung dieser Pendlerpauschale selbst zugestimmt.

Kritik an der Führung wird inzwischen - für CSU-Verhältnisse unüblich - öffentlich geübt. Der frühere Generalsekretär Markus Söder, heute Bundesratsminister der Bayern in Berlin, mahnte im Münchner Merkur: "Es zahlt sich nicht aus, dem Zeitgeist hinterherzulaufen oder Entscheidungen aus einer Emotion heraus zu treffen." Nur Festhalten und Durchsetzen getroffener Entscheidungen bringe dauerhaften Erfolg, sagte Söder, der als einziger CSU-Politiker unter 50 Jahren Aussichten auf die Nachfolge von Huber und Beckstein hat. Der niederbayerische Bezirksvorsitzende Manfred Weber gestand ein: "Das Hin und Her beim Rauchverbot haben wir schon selbst ausgelöst." Weber trotzig: "Die CSU kann nicht von außen besiegt werden."

Der Feind steht also in den eigenen Reihen und war von der Bild-Zeitung schnell enttarnt. Neben dem aufstrebenden Söder wurde Landwirtschaftsminister Horst Seehofer genannt. Der hatte schließlich im Kampf um den Vorsitz gegen Huber verloren. Der aus dem Amt gedrängte Stoiber sollte der Dritte im Bunde sein - das "Triple S" war komplett. Stoiber hatte in der Tat im Vorstand der Oberbayern-CSU einen Wutausbruch bekommen, als er von dem Transrapid-Desaster erfuhr. Allerdings waren sich Söder und Seehofer in der Vergangenheit spinnefeind. Und vor der Landtagswahl sind keine Verschwörungen mehr zu erwarten. Brav halten sich alle an den von Huber bei einer Klausurtagung in Wildbad Kreuth ausgegebenen Befehl der Geschlossenheit. Aber was wird nach dem Wahltag sein?

Seehofer soll Huber laut Spiegel vor der Berufung der Landtagsabgeordneten Christine Haderthauer zur Generalsekretärin gewarnt haben. "Erwin, du machst da einen Fehler", wird der Landwirtschaftsminister zitiert. Dabei hatte Huber Haderthauer ausdrücklich genommen, um die Versöhnung mit dem Seehofer-Lager zu erreichen. Die Generalsekretärin stammt wie Seehofer aus Ingolstadt. Doch im neuen Amt zeigt sie sich hölzern und unerfahren auf dem verminten Berliner Gelände. Eine glatte Fehlbesetzung, räumen selbst Huber-Getreue ein.

Hubers Fehlerliste ist noch länger. Nach der Übernahme des Parteivorsitzes hätte er auf ein Regierungsamt in Berlin dringen müssen. Entweder Wirtschaftsminister Michael Glos oder Seehofer hätte dem Niederbayern Platz machen müssen. Der Vorsitzende einer Koalitionspartei gehört ins Kabinett. Man kann an der SPD sehen, wohin es führt, wenn der Chef so weit weg ist wie Kurt Beck in Mainz.

Die Lage der CSU erinnert viele an den erst 1998 beendeten Machtkampf zwischen Theo Waigel und Stoiber, der bereits kurz nach dem Tod von Franz Josef Strauß (1988) begann. Doch vergleichbar ist die Situation nicht: Waigel und Stoiber waren beide in der Lage, die Gesamtführung (Partei und Regierung) zu übernehmen. Huber und Beckstein wirken jedoch schon mit ihren Einzelämtern überfordert. Die Lage der CSU ist prekär. Vor der Landtagswahl tut sich nichts. Danach wird es schwierig: Seehofer gehört zur Generation Stoiber. Ein Generationswechsel sieht anders aus. Es bleibt nur einer übrig: Söder - ein Zeichen, wie dünn Führungskräfte in der CSU gesät sind.

Foto: Ministerpräsident Günther Beckstein (l.), CSU-Parteichef Erwin Huber: Die Führung wirkt zerstritten, die zweite Garde ratlos

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