© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/08 18. April 2008

"Mit Fremdenfeindlichkeit hat dies nichts zu tun"
Integration: Eine Pfarrersfamilie wirft den Bürgern des thüringischen Rudolstadt Rassismus vor, doch diese wehren sich gegen das Pauschalurteil
Felix Krautkrämer

Die Abläufe gleichen sich. Im Fall Sebnitz hieß es zunächst, eine Horde "Rechter" habe einen Jungen im Freibad ertränkt, in Mügeln, eine ganze Stadt habe eine Gruppe Inder durch die Stadt gejagt, und in Mittweida schnitten "glatzköpfige Neonazis" einem Mädchen angeblich ein Hakenkreuz in die Hüfte.

Nun sollen im thüringischen Rudolstadt die indischstämmige Frau und die Kinder des evangelischen Pfarrers Reiner Andreas Neuschäfer so lange rassistischen Anfeindungen ausgesetzt gewesen sein, bis ihnen nur noch die Flucht blieb.

So behauptete Neuschäfer, seine Frau sei in Geschäften wegen ihrer dunklen Hautfarbe nicht bedient worden und habe sich im Supermarkt Sprüche wie "Jemand wie dich hätte man früher zwangssterilisiert" anhören müssen. Sein kleiner Sohn habe sogar versucht, sich mit einer Nagelbürste seine "braune Haut" abzuschrubben. Die überregionalen Medien griffen den Fall dankbar auf, und es dauerte nicht lange, bis sich die Rudolstädter mit dem Ruf konfrontiert sahen, eine fremdenfeindliche Stadt zu sein. Nun mehren sich die Stimmen, die eine differenzierte Betrachtung der Geschichte anmahnen.

Zwar sei man der Familie zuletzt nicht gerade freundschaftlich begegnet, das habe aber mehr an deren Verhalten als an der Hautfarbe gelegen. Vielmehr hätten die Neuschäfers "eine paranoide Neigung" entwickelt, jede Kritik auf die Hautfarbe der Kinder und der Mutter zu beziehen, heißt es etwa in einem der zahlreichen Leserbriefe in der Ostthüringer Zeitung. "Vielleicht wollten nicht allzu viele Menschen mit Neuschäfers etwas zu tun haben, weil sie durch ihr Verhalten in der Gemeinschaft nervten. Und dies hat mit Fremdenfeindlichkeit überhaupt nichts zu tun", schreibt ein anderer.

Und das Organisationskomitee des "Tanz- und Folklorefestival Rudolstadt", eines seit Jahren stattfindenden Musikfestivals mit Künstlern aus aller Welt, übt auf der Internetseite der Stadt Kritik. "Wir bedauern, daß sich Familie Neuschäfer veranlaßt sah, Rudolstadt zu verlassen. Über den Anteil am Verhalten der Familie an der nicht geglückten Integration wollen wir nicht spekulieren."

Auch über Rudolstadt hinaus nimmt die Wut der Einheimischen zu. "Der Familie Neuschäfer geht es um eine gezielte Medienkampagne, um von ihrem eigenen Versagen in Sachen Integration abzulenken. Es gab in Rudolstadt immer Probleme mit diesen Leuten", sagte der CDU-Stadtrat Ulf Oswald aus dem nahen Königssee gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Dies habe sich auch im Sportverein gezeigt. Die Kinder der Familie seien dort nicht in der Lage gewesen, grundlegende Normen einer gemeinschaftlichen Ordnung einzuhalten. Kritik daran sei aber pauschal als Fremdenfeindlichkeit ausgelegt worden, sagte Ulf Oswald, dessen Tochter ebenfalls Mitglied im Sportverein ist. "Da ist es doch normal, daß bei den Bürgern die Wut hochsteigt."

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