© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/08 02. Mai 2008

Allah im hohen Norden
Islam: Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet entsteht seit zehn Jahren in Rendsburg die größte Moschee Schleswig-Holsteins
Hans-Joachim von Leesen

Schleswig-Holstein als ein vergleichsweise industriearmes Land weist zusammen mit den Ländern Mitteldeutschlands relativ wenige Ausländer auf. Während in Deutschland acht bis neun Prozent der Bevölkerung eine fremde Staatsangehörigkeit haben, sind es in Schleswig-Holstein nur 4,8 Prozent. Die Türken stellen mit etwa 35.000 die größte Gruppe; sie ballen sich in der Landeshauptstadt Kiel (6.300), in Lübeck (5.500) und im Hamburger Randbereich wie etwa in den Kreisen Pinneberg (6.800) und Segeberg (3.000). Rendsburg, in der Mitte des Landes gelegen, kann man keineswegs als einen Schwerpunkt der türkischen Einwanderung bezeichnen, zählt man doch im gesamten Kreis Rendsburg-Eckernförde nur 1.487 Türken. Dazu kommen jene, die mittlerweile einen deutschen Paß erworben haben, deren Zahl aber unbekannt ist, weil sie jetzt als Deutsche gelten.

Da ist es überraschend, daß seit 1998 gerade in Rendsburg die größte Moschee Schleswig-Holsteins erbaut wird. Der Bau geht nur schleppend voran, weil angeblich dieses Gotteshaus nur mit Spenden der in der Umgebung lebenden Türken finanziert wird. Noch in diesem Jahr soll das Gebäude fertiggestellt werden, zu dem nicht nur der Hauptraum gehört, der Platz bietet für 300 Gläubige, sondern auch Läden, ein religiöses Bildungszentrum und ein Kindergarten. Flankiert wird die Moschee von zwei jeweils 26 Meter hohen Minaretten.

Die etwa 1.500 in der Stadt Rendsburg lebenden türkischen Muslime sind in zwei Verbänden organisiert. Einer davon ist Mili Görüs ("Nationale Sicht"), und gerade diese Organisation ist Bauherr der neuen Moschee. Mili Görüs, 1985 in Köln gegründet, nimmt im soeben erschienenen schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzbericht 2007 einen erheblichen Raum ein. Die Gruppierung wird darin als "bedeutendste nicht gewaltbereite islamistische Organisation" bezeichnet und soll nach Angaben der Verfassungsschützer 26.500 Mitglieder haben, während die Leitung von Mili Görüs 57.000 Mitglieder für Deutschland angibt.

Laut Verfassungsschutz stand Mili Görüs stets in enger Verbindung zu den vom ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan dominierten islamistischen Parteien in der Türkei. Erbakans Schlüsselbegriffe, die von Mili Görüs vertreten werden, sind: "Die Errichtung einer 'neuen großen Türkei' in Anlehnung an das Osmanische Reich, die Abschaffung des Laizismus in der Türkei und - letztlich - das Streben einer weltweiten, islamischen Ordnung", so der Verfassungsschutzbericht. Das von der Mili Görüs in Deutschland abgegebene Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sei "nur vordergründig" und diene zur Tarnung eines "rigorosen Islamverständnisses". Integrative Schritte lehnt Mili Görüs weitgehend ab, weil sie die türkische Identität bewahren will. Für Moslems in Deutschland fordert sie ein islamorientiertes System in allen Lebensbereichen.

Rendsburgs sozialdemokratischer Bürgermeister Andreas Breitner hält die Warnung offensichtlich für übertrieben. Von den Lübecker Nachrichten befragt, winkt er ab. Daß die Moschee schon seit zehn Jahren, und zwar großenteils in Eigenarbeit gebaut wird, deutet er als Beleg dafür, daß Mili Görüs kein Geld hat und damit wohl auch über keine Macht verfügt.

Die Moschee ist auf Zuwachs angelegt. Ahmet Yazici, ein in Hamburg tätiger türkischer Geschäftsmann, zweiter Vorsitzender des Bündnisses der islamischen Gemeinden in Norddeutschland, eines Ablegers von Mili Görüs, schätzt, daß zehn Prozent der Rendsburger Muslime Moscheegänger seien, das wären zur Zeit maximal 150. Aber Yazici meint, daß die Moschee erhebliche Anziehungskraft vor allem auf solche Türken in Schleswig-Holstein ausüben wird, die Wert darauf legen, daß ihre Kinder moslemisch erzogen werden.

Es fällt auf, daß bisher die Medien in Schleswig-Holstein nur zurückhaltend oder gar nicht über den Moscheebau berichtet haben. Ob sie einem Wink folgen, das Thema herunterzuspielen, um Reaktionen zu vermeiden, kann man nur vermuten. Der schleswig-holsteinische Innenminister wiegelt auch ab. Er meint, eine Parallelgesellschaft werde am besten verhindert, "wenn alle gesellschaftlich wichtigen Institutionen auf Migranten (gemeint sind Immigranten) gezielt zugehen und sich für sie öffnen".

Die Rendsburger Moschee wird die erste sein, die speziell als Moschee erbaut worden ist - bisher gibt es in Schleswig-Holstein dreißig kleine Moscheen, meist untergebracht in Gebäuden, die zuvor anderen Zwecken dienten. Sie wird sicherlich ein Signal für andere Türken setzen.

Foto: Moscheeneubau in Rendsburg: Angeblich aus Spenden finanziert

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