© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/08 02. Mai 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Denkfabrik
Karl Heinzen

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, hat gefordert, den Verfolgsdruck auf den Bundesnachrichtendienst (BND) zu erhöhen. Die Aufsicht durch die Parlamentarische Kontrollkommission reiche, wie die Serie von Skandalen beweise, offenbar nicht aus. Zusätzlich müsse eine Ermittlungsbehörde geschaffen werden, die sich durch überraschende Razzien Zugriff auf Akten und Daten des BND verschaffen und auf diese Weise seinem klandestinen und daher für den Bürger nicht vertrauenswürdigen Vorgehen ein Ende machen könne.

Anlaß für diesen Vorstoß ist die Enthüllung, daß der deutsche Auslandsnachrichtendienst den afghanischen Handels- und Industrieminister Amin Farhang bespitzelt hat. Im Zuge der Überwachung seines E-Mail-Verkehrs ist anscheinend auch seine Korrespondenz mit einer Reporterin des Klatschmagazins Spiegel mitgelesen worden, was nicht allein eine Verhöhnung westlicher Standards von Pressefreiheit darstellt, sondern vor allem auch den muslimischen Minister ob seiner nach afghanischen Wertvorstellungen inakzeptablen Beziehungen zu einer christlichen Frau in seiner Heimat in arge Bedrängnis bringt.

Die Empörung, die Renate Künast zum Ausdruck bringt, ist somit nachvollziehbar. Ihr Vorschlag erscheint gleichwohl als wenig durchdacht. Um den Mißbrauch nachrichtendienstlicher Macht zu einzudämmen, will sie de facto einen neuen Nachrichtendienst als Gegengewicht schaffen. Das Grundübel, das der BND verkörpert, wäre damit aber nicht aus der Welt, sondern vielmehr dupliziert. Sicherlich kann man von einer grünen Spitzenpolitikerin von heute nicht verlangen, daß sie an den programmatischen Ursprüngen ihrer Bewegung festhält und die Abschaffung der Nachrichtendienste insgesamt fordert. Von einer Demokratin, als die sie sich aber immer noch betrachten dürfte, wäre jedoch ein klein wenig mehr Unbehagen darüber zu erwarten, daß frei gewählte Regierungen es immer noch nötig haben, der Zivilgesellschaft Informationen vorzuenthalten, die sie zur politischen Willensbildung benötigt. Konsequent wäre es daher, die Spitzelbehörde BND nicht durch einen neuen Geheimapparat zu bespitzeln, sondern ihr die Anwendung genuin nachrichtendienstlicher Methoden strikt zu untersagen. Als reiner "Think Tank", der auf die Auswertung "offener Quellen" beschränkt wäre, stünde der BND in Konkurrenz mit anderen, etwa den Stiftungen der Parteien. Dies würde ihn nicht nur zu mehr Seriosität motivieren, sondern auch die Qualität seiner Forschungsergebnisse steigern.

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