© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

"Es gibt nichts zu feiern!"
Protest: Eine "Konservativ-Subversive Aktion" stört den Auftakt des Berliner 68er-Kongresses / Linke sind überrascht
Felix Krautkrämer

Berlin, Unter den Linden, Freitag, 2. Mai, 7.30 Uhr. Ein paar vereinzelte Touristen sind schon auf den Beinen und bewundern das historische Berlin zwischen Neuer Wache, Berliner Dom und Staatsoper. Die meisten Berliner haben diesen Tag wohl freigenommen und erholen sich von den vergangenen Maifeierlichkeiten. Ein paar Buchhändler bauen ihre Büchertische vor der Humboldt-Universität auf. Für die nächsten Tage winken gute Geschäfte, denn am Wochenende findet hier der große 68er-Kongreß unter dem Motto "Die letzte Schlacht gewinnen wir" statt, zu dem über tausend Teilnehmer erwartet werden.

Auf einmal kommt Bewegung in die noch verschlafene Szenerie. Eine Gruppe junger Männer rennt mit einer Leiter zum Haupteingang des Gebäudes, erklimmt den über dem Hauptportal gelegenen Balkon und befestigt ein großes Transparent mit der Aufschrift "68er-Kongreß: Die letzte Schlacht ist schon verloren". Kurz darauf werden aus den oberen Fenstern der Seitenflügel Transparente mit den Köpfen von Mao und Ho Chi Minh entrollt. "68er Ikonen" steht auf ihnen. Und "50 Millionen" beziehungsweise "1 Million Tote für die gute Sache". Spätestens jetzt ist klar: Das ist nicht Teil des Kongresses. Es ist ein Protest gegen ihn. Hektik kommt auf. Einige Linke versuchen die Transparente und Plakate wieder zu entfernen.

Unterdessen klettern auf der Rückseite des Gebäudes drei Männer aus einem Fenster und entrollen wieder Transparente mit Mao, Lenin und Ho Chi Minh. Götz Kubitschek gibt sich als Initiator der "Konservativ-Subversiven Aktion" zu erkennen und erklärt über Megaphon: "Es gibt nichts zu feiern."

Der Kongreß knüpfe ungebrochen an die mörderische Tradition kommunistischer Menschheitsexperimente an. Einigen jugendlichen Linken, die im Innenhof der Universität gerade eine "Volxküche" für die Kongreßteilnehmer errichten, bleibt nicht mehr, als die Kritik mit Pfeifen zu erwidern.

Eine gute Stunde später. Mittlerweile hat sich das Audimax langsam gefüllt. Man liest die Sozialistische Zeitung, bereitet Transparente mit der Aufschrift "Marx an die Uni!" vor und unterhält sich über Kapitalismus, Streik und Studiengebühren. Mit einem Mal flattern Flugblätter auf die verdutzt nach oben schauenden Tagungsteilnehmer.  Soll das an die gute alte Zeit des 68er-Ungehorsam erinnern, fragen sich viele. Doch weit gefehlt: Klammheimlich haben sich Mitglieder der "Konservativ-Subversiven Aktion" auf die Empore geschlichen. Während Flugblätter heruntergeworfen werden, erinnert Kubitschek über Megaphon nochmals an die im Namen des Kommunismus begangenen Verbrechen. Empört versuchen Linke ihn mit "Hoch die internationale Solidarität" niederzubrüllen.

Die linke Tageszeitung Junge Welt, offizieller Unterstützer des Kongresses, bezeichnet die Aktion einige Tage später als so "widerlich", daß sich einem dabei "die Fußnägel" aufrollen. Und genau das ist es, was Kubitschek erreichen wollte: Wachrütteln, Strukturen aufbrechen. "Das war eine erste Aktion zum Warmlaufen und Ausloten. Es ist an der Zeit, nicht immer nur über die Deutungshoheit der Linken zu jammern, sondern etwas dagegen zu tun", sagte Kubitschek der JF. Und auch in Zukunft müsse mit ihnen gerechnet werden. Denn weitere Aktionen seien schon geplant.

Weitere Informationen und Bilder unter www.jungefreiheit.de/nachrichten 

Foto: Transparente an der Fassade der Humboldt-Universität: "Eine Aktion zum Warmlaufen und Ausloten"

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