© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Ein Nachfolger ist nicht in Sicht
Wagner-Festspiele: Frauen übernehmen das Steuer
Werner Veith

Sollen die Männer wieder ausbaden, was die Frauen verbockt haben? Bisher verursachten die Herrscherinnen in Bayreuth mehr Probleme, als sie lösten. Cosima Wagner (1837-1930) und Wini-fred Wagner (1897-1980) zeigten als Leiterinnen der Festspiele nicht immer eine glückliche Hand, um Richard Wagners Erbe zu verteidigen. Deswegen drohte 1945 gar die Verstaatlichung der Festspiele durch den Freistaat Bayern. Mit viel Taktik und Diplomatie sicherten die Brüder Wieland und Wolfgang Wagner den Bestand, konnten selbst die antifaschistischen Gewerkschaften in Bayern auf ihre Seite ziehen. In den 1950er Jahren ratterte Wolfgang Wagner mit einem Moped durch Süddeutschland, um Spenden zu sammeln.

Nun hat Wolfgang Wagner (88) für Ende August dieses Jahres seinen Rücktritt erklärt. Danach werden wahrscheinlich zwei Frauen aus dem Wagner-Geschlecht die Geschicke auf dem Grünen Hügel lenken: seine Töchter Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier. Letztere gilt als kompetente Organisatorin und Beraterin in den Musikzentren Westeuropas. Für die Produktionsfirma Unitel betreute sie mehr als 30 Opern- und 120 Konzertfilme.

Doch die 63jährige kann nicht ewig die Festspiele leiten. Dann wäre die heute 29jährige Katharina alleine am Ruder. Ob sie ohne Beistand einen schlummernden Vulkan bändigen kann? "Wenn niemand meine Bürotür eintritt, wenn kein Künstler wutschnaubend abreist, dann sind wir schon auf dem richtigen Weg," erzählt Jürgen Flimm immer wieder, Chef der Salzburger Festspiele. Oder nehmen wir die Nürnberger Oper vergangene Woche: Dort zischte es zwischen Regisseur und Dirigenten so heftig, daß während den Proben zu Wagners "Lohengrin" meist nur Assistenten am Orchesterpult standen.

Als Regisseurin ist Katharina Wagner umstritten: In Würzburg brachte sie 2002 den "Fliegenden Holländer" auf die Bühne. Matrosen als Nazischlägerbande betranken sich und blätterten in Pornoheften. In Bayreuth inszenierte sie 2007 "Die Meistersinger" grobschlächtig bis konfus, mit aufblasbarer Frauenpuppe, Riesenpenis und vielen Farbkleksern; Ur-Opa Richard Wagner tanzte ohne Sinn und Verstand in der Unterhose.

Wenn Katharina Wagner als Festivalleiterin ähnliche Experimente fabriziert wie als Regisseurin, dann ist guter Rat teuer. Ein (männlicher) Nachfolger für die jetzige Nachfolgerin ihres Vaters ist in der Wagner-Sippe nicht in Sicht. Bleibt bei einem Scheitern Katharina Wagners nur noch Väterchen Staat, der im Falle dieses Falles das Steuer auf dem Grünen Hügel übernehmen könnte.

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