© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Frisch gepresst

Nietzsche. Überfliegt man die auf dem Buchumschlag prangende Vita des Autors, ist Skepsis der erste Impuls. Denn Klaus Pohlmann, Jahrgang 1937, Journalist und zeitweiliger Sprecher der niedersächsischen Landesregierung, scheint stets ein Mann des hurtigen Tagesgeschäfts gewesen zu sein. Und solchen Leuten traut das überaus nützliche, "komplexitätsreduzierende Vorurteil" (Hermann Lübbe) nun einmal nicht den nötigen Tiefgang für 500 Seiten Beschäftigung mit Friedrich Nietzsche zu. Tatsächlich führen für den Autor immer wieder Wege hinaus aus dem Werk des Denkers, hin zu "Unzeitgemäßen Betrachtungen" sehr eigener Art, sei es zur Rechtschreibreform oder zur Migration. Gleichwohl bezeugt jedes Kapitel, daß Nietzsche für Pohlmann mehr sein soll als bloßer Anlaß zu zeitkritischer Reflexion. Die Probe läßt sich mit dem schmalsten Kapitel "Über den Nihilismus und darüber hinaus" machen. Und nicht nur hier erweist sich die Konfrontation Nietzsches mit Marx als kompositorischer Glücksgriff. Nur hätte man freilich gern gewußt, worin denn Nietzsches "Überwindung des Nihilismus" bestanden haben könnte (Wer hat Angst vor Friedrich Nietzsche? Eine Ermutigung für Zaghafte, eine Frage an Christen, Sozialisten und Kapitalisten. Books on Demand, Norderstedt 2008, broschiert, 536 Seiten, 34 Euro).

 

Knut Hamsun. Mit einem, wie er selbst es sah, "Akt der Ritterlichkeit" nahm Literatur-Nobelpreisträger Knut Hamsun am 7. Mai 1945 öffentlich Abschied von Adolf Hitler. Dieser Nachruf hätte den alten Mann bald darauf fast den Kopf gekostet. Doch Hamsun machte nicht einmal Bekanntschaft mit dem "Käfig" wie Ezra Pound, der Sänger Mussolinis, sondern starb erblindet und taub 1952 unspektakulär im Bett. Heute werten seine Landsleute sein Werk wieder als norwegischen Beitrag zur Weltliteratur, während sie dem weiter ein Ärgernis bleibenden politischen Hamsun, dem USA-Hasser und Deutschen-Freund, das Etikett "Altersstarrsinn" anheften. All diesen unangenehmen Kontroversen um den "späten" Hamsun geht Ulrich Kriehn diplomatisch aus dem Weg, wenn er sich auf den "jungen" beschränkt, dessen aufreizendes Außenseitertum für politisch korrekt Denkende allerdings schon Schlimmes ahnen läßt. Dies war freilich auch die charakterlich-künstlerische Basis, um den naturalistisch-sozialkritischen Einflüssen nicht zu erliegen, die Hamsuns schriftstellerische Anfänge um 1880 dominierten. In ebendiesen ist Kriehn bestrebt aufzuspüren, was er mitunter nur karg explizierend "Zeitlosigkeit" nennt und was durch Hinweise auf stilistische Eigenheiten Bob Dylans nicht eben an Prägnanz gewinnt (Gegen den Strom. Über den frühen Knut Hamsun. Tectum Verlag, Marburg 2008, 86 Seiten, 19,90 Euro).

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