© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Frisch gepresst

Schreckliche Deutsche. "Teutonici sunt nati, venerunt de culo Pilati" ("Die Deutschen sind geboren aus Pilatus' Arsch mit Ohren"), grölte 1470 der polnische Scholar Bernhard von Lubiszow steineschmeißend vor der deutschen Burse der Universität Krakau und verursachte damit einen handfesten Skandal, wie die Rektoratsakten der Jagiellonen-Universität bezeugen. Diese und viele andere Episoden präsentiert der Koblenzer Emeritus Manfred Koch-Hillebrecht in seinem historischen Streifzug durch die Geschichte des antideutschen Ressentiments. Glaubt man Peter Esterhazy, dem Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels 2004, ist "der Haß gegen die Deutschen Europas Fundament der Nachkriegszeit". In seinem Überblick über die ebenso ignorante wie oft völlig unzutreffende Charakterisierung unseres Volkes läßt Koch-Hillebrecht kaum ein Zeitalter seit den ersten schriftlichen Zeugnissen der Römerzeit (Tacitus) und kaum einen geographischen Nachbarn aus. Der Politpsychologe rekapituliert Vorurteile, skeptische Eindrücke deutscher Gewohnheiten bis hin zu auf Kriegspropaganda zurückgehende und sich hartnäckig haltende Bilder von Kinderhände abhackenden "Hunnen".  Nach seinen gelungenen Porträts berühmter germanophober Persönlichkeiten wie Georges Clemenceau, Edward Beneš, Franklin Roosevelt, Winston Churchill oder Maggie Thatcher, deren geistige Büchsenspanner leider oft unerwähnt bleiben, fallen im Schlußkapitel die aufgezählten Stereotype wie fehlender Humor, schlechtes Essen etc. deutlich davon ab, da man zumindest mehr über den wahren Ursprung zu erfahren gehofft hätte (Die Deutschen sind schrecklich. Geschichte eines europäischen Feindbildes. wjs-Verlag, Berlin 2008, gebunden, 463 Seiten, 24,90 Euro).

 

Föderalismus. Nicht erst die gegenwärtigen Anstrengungen, den Widrigkeiten unseres föderalen Systems in der Kompetenzabgrenzung, den unterschiedlichen Bildungsstandards oder der Finanzhoheit durch Reformen beizukommen, verdienen einen genaueren Blick auf die Wurzeln des Systems. Der Historiker Ulrich March führt in seinem flott geschriebenen Buch in die Geschichte föderaler Staaten ein, wobei er sich auf Europa und die "westliche Welt" konzentriert. Weil March auf die oft herrschende Diskrepanz zwischen Norm und Wirklichkeit hinweist und im Föderalismus auch Chancen für eine heterogenere und totalitarismus-resistentere Struktur sieht, die insbesondere den Eigenheiten der Regionen besser Rechnung tragen kann, weicht sein kleines Dossier erfrischend von den oft larmoyanten Stimmen ab, die im Föderalismus oft nur den Hort aller Probleme sehen wollen (Föderalismus. Fakten-Probleme-Chancen. Schibri-Verlag, Berlin 2008, broschiert, 112 Seiten, 9,80 Euro).

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