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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/08 09. Mai 2008
Bayerische Festivals: Hussenkrieg und Kaltenberger
Ritterturnier Es bedürfte nicht der - bislang stets von öffentlich-rechtlichen Anstalten gesendeten - Zeitreise-Formate, die als ebenso aseptische wie artifiziell gebastelte Lebensräume über den Bildschirm laufen, um die Sehnsucht nach Dunkelbier und Dudelsack sichtbar zu machen. Denn schon über zwanzig Jahre existiert in Deutschland jenes im Praktikum zu absolvierende mediävistische Phänomen: mit Kettenhemd und Morgenstern gewappnete Mitmenschen, die am Wochenende einen fröhlichen Rettungsanker in das "finstere Mittelalter" werfen. Wenn Gegenwart und Zukunft düster scheinen, muß offenbar die Vergangenheit emotionalen Halt bieten. Vielleicht ist es aber noch mehr die Lust am Abenteuer, deren Anfänge sich einst in den Jahrmärkten des "Mittelalter Spectaculi" angekündigt hatten. Der BR zeigt in zwei Dokumentationen, wie dieses selbstgewählte Interregnum namens Mittelalter "über die Bühne" geht. Am 13. Mai (17 Uhr) geht die Kamera nach Neunburg vorm Wald, wo im Freilichtspiel die legendäre Hussen-Schlacht reanimiert wird, jener Religionskrieg, der in der Oberpfalz ausbrach, nachdem der Prager Reformprediger Jan Hus als Ketzer auf dem Scheiterhaufen landete. Am 14. Mai (17 Uhr) treffen wir auf die Kaltenberger Ritterspiele. Exemplarisch wird die Performance-Künstlerin Ute Niffka begleitet, die ihren großen Auftritt als "Schrecken des Mittelalters" vorbereitet: als schaurig-schöne "Pest-Diva", die in ein 50 Kilo schweres Kostüm mit 80 Totenköpfen gewandet ist. Auf Stelzen schreitend überblickt sie das vitale Getümmel des Ritterturniers. Zu Füßen seines Gastgebers, des Prinzen Luitpold von Bayern, hat sich ein faszinierend schillerndes Volk versammelt, über tausend Gaukler und Akrobaten, orientalische Verführerinnen und bärenstarke Männer sowie - nicht zu vergessen - edle Ritter in todesmutigen Kämpfen am Ende ihrer Fünf-Tage-Woche. |