© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/08 23. Mai 2008

„Wir alle sind deutsche Brüder“
Korporationen: Die Tagung der Deutschen Burschenschaft in Eisenach verdeutlicht die Spaltung des Verbandes in zwei gleich große Lager
Hans Christians

Offenbar – so witzelten einige Mitglieder der Deutschen Burschenschaft – ist der traditionsreiche studentische Verband alt geworden. Der diesjährige Burschentag im thüringischen Eisenach, der vom 15. bis 18. Mai am Fuße der Wartburg stattfand, verlief störungsfrei.

Das betraf sowohl das Ausbleiben von Gegendemonstrationen als auch die sachliche Atmosphäre, in der die Verhandlungen und Abstimmungen stattfanden. In der Rekordzeit von nicht einmal sieben Stunden liefen die Entlastungen und Wahlen ab. Das ging dem einen oder anderen Verbandsbruder dann doch zu schnell, so daß mehrere Teilnehmer die Vertreter der 120 Verbandsburschenschaften aufforderten, eine inhaltliche Kontroverse doch offen auszutragen.

Die von einigen Vertretern kritisierte Sprachlosigkeit ist trotz aller Harmonie ein Beleg dafür, daß der zweitgrößte studentische Dachverband mit rund 15.000 Mitgliedern aus der Bundesrepublik und Österreich in zwei nahezu gleich große Lager gespalten ist. Auf der einen Seite stehen die Vertreter der Burschenschaftlichen Gemeinschaft – eines von österreichischen Mitgliedsbünden dominierten konservativen Zusammenschlusses, der verbandsintern in den vergangenen Jahren mehr und mehr an Einfluß gewonnen hat. Auf der anderen Seite vor allem bundesdeutsche Verbindungen, die sich als „liberal“ im klassischen Sinne verstehen. Wirkliche Beachtung fanden während der Verhandlungen nur die Wahl des Schriftleiters der auflagenstarken Verbandszeitung Burschenschaftliche Blätter, bei der sich mit Norbert Weidner (Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn) ein Kandidat des „rechten Flügels“ mit hauchdünner Mehrheit durchsetzen konnte, sowie eine kontroverse Debatte über die Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes.

Die Deutsche Burschenschaft leidet seit Jahren unter undifferenzierten Angriffen, die in dem unqualifizierten Extremismusvorwurf seitens einiger Me- dien gipfeln. Doch die Meinungen gingen von einem totalen Medienboykott bis hin zu einer konsequenten und zielgruppenorientierten PR-Arbeit so weit auseinander, daß diese Debatte schließlich ergebnislos beendet wurde.

Der diesjährige Burschentag litt vor allem unter der kurzfristigen Absage der anberaumten Generaldebatte, die unter dem Thema „Die Kultur der Freiheit“ stehen sollte. Doch die angefragten „Hochkaräter“ wie der Verfassungsrichter Udo Di Fabio mußten aus terminlichen Gründen absagen. So verlief der Verhandlungstag mit der Amtsübergabe des Vorsitzes von der Stuttgarter Burschenschaft Hilaritas hin zur ebenfalls in Stuttgart ansässigen Burschenschaft Ghibellinia ohne Zwischenfälle. Zur Vorsitzenden 2009/2010 wurde Normannia Heidelberg gewählt.

SPD-Oberbürgermeister schlägt Einladung aus

Höhepunkt der viertägigen Versammlung, an der rund 1.500 Burschenschafter teilnehmen, deren bunte Mützen und Bänder das Stadtbild prägten, war der Festkommers am Samstagabend. Die Ansprache des Festredners und Wiener Burschenschafter Gerhard Pendl zum Thema „Der deutschen Zwietracht mitten ins Herz“ traf die Stimmung vieler Teilnehmer. Der dezidierte Freiheitliche Pendl, der aufgrund einer Rede zu Ehren des berühmten Jagdfliegers Walter Nowotny im Jahr 2006 als Leiter der Medizinischen Fakultät an der Universität in Wien abberufen wurde, schlug rhetorisch geschickt die Brücke zwischen den beiden burschenschaftlichen Flügeln.

„Wir alle sind deutsche Brüder“, rief er unter dem Beifall der anwesenden Burschenschafter und appellierte an die Korporierten, bei ihren politischen Bestrebungen mit Augenmaß und Niveau vorzugehen. „Auch die deutsche Burschenschaft kann und darf sich einem zusammenwachsendem Europa nicht entziehen. Wir sind demokratische Patrioten und keine chauvinistischen Nationalisten.“ Als bedenklich und bedauerlich stuften viele Vertreter dagegen ein, daß SPD-Oberbürgermeister Matthias Doht auch in diesem Jahr die Veranstaltung sprichwörtlich „links liegenließ“.

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