© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/08 23. Mai 2008

Zeitschriftenkritik: Emotion
Geschenkpapier
Werner Olles

Hochglanzmagazine finden sich inzwischen an jedem Zeitschriftenkiosk wie Sand am Meer. Sie haben längst die klassischen Illustrierten abgelöst, die neben den üblichen Themen oft auch einen durchaus ansehnlichen politischen Informationsteil enthielten. Die neuen Magazine kreieren dagegen mit ihrer Mischung aus Lebenshilfe, Hobby-Psychologie, Klatsch und Tratsch, Lifestyle, Prominenten-Interviews und Gesundheits- bzw. „Wellness“-Tips einen ebenso schillernden wie oberflächlichen Positivismus, dessen stromlinienförmige Substanzlosigkeit in der Regel haarscharf an der ersehnten Eleganz vorbeizielt.

In diesen seichten Gewässern, die immer noch am besten mit den Code-Wörtern Unverbindlichkeit und Beliebigkeit beschrieben sind, segelt auch Emotion, ein monatlich erscheinendes Magazin, dessen über 130 Seiten starke anspruchsvolle Nichtigkeit unter einer postmodernen Geschenkpapierverpackung versteckt wird. Es geht der Zeitschrift dabei um „Persönlichkeit, Partnerschaft, Psychologie“, jedenfalls verspricht das der Untertitel. Als schickes Ornament eines ästhetisierenden Hedonismus sind die hier angedeuteten Inhalte jedoch bloßes austauschbares Sujet für die Form als Eigentliches. Dementsprechend werden „Outfit“ und „Ambiente“ mit einer überdimensionalen Bedeutung aufgeladen. Davon zeugt unter anderem im aktuellen Heft der Beitrag über „Moderne Nomaden“, in dem uns Stefanie vorgestellt wird, die dreimal pro Woche von Berlin nach Leipzig pendelt, wo sie als Psychotherapeutin arbeitet. Mit drei Kindern, zwei Babysittern plus im Notfall einspringender Mutter also die postmoderne Postfeministin schlechthin, die „alles will“, aber auch wieder bewußt sämtliche Weiblichkeitsklischees zur Schau stellt.

Das „Handy“ verbindet auch Ilka und Helko, beide 36, mit den Söhnen Gregor, 16, und Elias, 11. Während Helko ihr „organisatorisch den Rücken freihält“, hat Ilka letztes Jahr über ihre tägliche Reise ein kleines Buch für die Söhne geschrieben. Das hört sich rührend an, vermag aber nicht darüber hinwegzutäuschen, daß diese Art gesellschaftlicher Lebenspraxis einzig und allein der jeweiligen individuellen Biographie verpflichtet ist. Keineswegs beißend ironisch – auch wenn man das annehmen wollte –, sondern ganz ernsthaft trend- und marktforscherisch gemeint ist da der „Telefonier-Tip“ eines Psychologen für Pendler-Paare, mehrmals am Tag ein Mobiltelefon mit Kamera zu benutzen.

Als Satire wäre das nicht schlecht, aber Emotion möchte daraus einen emanzipatorischen Ansatz destillieren, von dem allerdings nicht einmal Spurenelemente vorhanden sind. Dramatisch daran ist, daß es sich längst nicht mehr um eine Ausnahmesituation handelt, sondern bei den oft beschworenen elektronischen Beziehungen im Labyrinth von E-Mails, Chat-Boxen und Foto-Handys um ein bereits vermasstes alltägliches Verfahren. Würde Emotion den psychischen Horror dieser Beziehungslosigkeit einmal ernsthaft thematisieren, könnte sich die Lektüre der Zeitschrift in der Tat lohnen.

Anschrift: G+J Emotion Verlag, Weihenstephanstr. 7, 81673 München. Das Einzelheft kostet 3,80, das Jahresabo 45,60 Euro. Internet: www.emotion.de

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