© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/08 23. Mai 2008

Persönlichkeitsrechte und Pressefreiheit: Der Kampf zweier natürlicher Gegner
Verletzung der Ehre
Ronald Gläser

Christian Schertz ist ein bekannter Medienanwalt. Er sagt zwar, er berate auch verschiedene Zeitschriften. Bekannt geworden ist er aber als Rechtsbeistand von Prominenten. Schertz zieht zu Felde, um ihre Persönlichkeitsrechte durchzusetzen.

Ein einträgliches Geschäftsfeld, zahlungskräftige Mandanten – was will man mehr? Der Ex-Rias-Mitarbeiter hat sich jetzt auch noch als Herausgeber und Autor eines Buches über Rufmord betätigt. „Weil es kein anderes Buch über diesen Komplex gibt in Deutschland“, wie er sagt.

Vor zwei Wochen stellte Schertz sein Buch „Rufmord und Medienopfer“ im Rahmen eines Vortrags bei der Friedrich-Naumann-Stiftung in Potsdam vor. Schertz’ Paradebeispiel ist der bizarre Fall eines Hannoveraner Polizisten, der sich abends an der falschen Stelle erleichtert. Er wird erwischt, mit einem Exhibitionisten verwechselt und verliert nach entsprechenden Presseberichten seine „Freunde“, seine Karriere.

Eine Handvoll trauriger Einzelfälle dieser Art reicht den Autoren, um sich genüßlich an Bild und Konsorten abzuarbeiten. „Medienhetze“, wie Schertz sie nennt, werde meist durch den Willen zur Auflagensteigerung – also Profitgier – angefeuert.

Die anderen Fälle sind aber nicht so simpel gestrickt und so tragisch wie der des Polizisten, dessen Identität Schertz übrigens selbst ein Stück weit enthüllt. In seinem Buch sind alle Informationen über den Mann anonymisiert, doch im Vortrag nennt er den Ort Hannover, so daß es nun ein leichtes wäre, das Medienopfer ausfindig zu machen.

Sicherlich war das ein Versehen des Promi-Anwalts. Menschen machen Fehler. Deswegen haben Bleistifte Radiergummis an den Enden. Aber für Journalisten, die Fehler machen, hat Schertz nicht das geringste Verständnis.

Die anderen Fälle drehen sich beispielsweise um den ProSieben-Moderator Andreas Türck, der von einer Frau der Vergewaltigung bezichtigt und daraufhin medial hingerichtet wurde. Am Ende stand jedoch ein Freispruch. Doch die Hauptschuldigen in dem Prozeß sind eindeutig seine Kurzzeitfreundin, die Polizei und die Justiz – und nicht Bild.

Ein anderer Beitrag dreht sich um den „Medienskandal um Günter Grass“, der angeblich vom deutschen Feuilleton kampagnenartig gejagt wurde. Hätte die deutsche Medienwelt etwa schweigen sollen, als einer der wenigen deutschen Literaturnobelpreisträger so ganz nebenbei enthüllte, daß er bei der SS war?

Eigentlich ist es peinlich, einem Autor vorzuwerfen, daß er dieses oder jenes weggelassen habe. Wichtigtuer machen so etwas nach Vorträgen. Aber bei dem vorliegenden Sammelband muß die Frage erlaubt sein: Was ist mit dem Kampf gegen Rechts?

Die „Faschismuskeule“ kommt in dem Buch nicht vor. In Potsdam, wo er das Buch vorstellt, wurden 2006 zwei arme Teufel als Rassisten angeprangert, weil sie den Deutsch-Äthiopier Er­myas M. verprügelt haben sollen. Angesichts der Rufmordkampagne gegen die zwei, die später freigesprochen wurden, kann sich Andreas Türck nun wirklich entspannt zurücklehnen. Günter Grass erst recht. Nichts davon steht in diesem Buch über falsche Tatsachenbehauptungen. Nichts über Eva Herman. Nichts über Jürgen Möllemann, Martin Hohmann – und wie sie alle heißen.

„Pressefreiheit ist der natürliche Gegner des Persönlichkeitsrechts – und umgekehrt“, weiß Schertz. Für die großzügige Auslegung des Grundrechts auf Pressefreiheit im anglo-amerikanischen Raum hat er naturgemäß kein Verständnis. „Es ist für einen kontinentaleuropäischen Juristen kaum nachvollziehbar, wie frei die Regelung dort ist“, erklärt er seinen dreißig Zuhörern. Vor seinem Rednerpult prangt ein Schild der Naumann-Stiftung. „Für die Freiheit“, steht darauf – doch der Widerspruch scheint keinem aufzufallen.

Zum Beispiel findet Schertz, daß SED-Altkader nun langsam mal ihre Persönlichkeitsrechte durchsetzen sollten. „Muß man Dinge auch nach zwanzig Jahren noch beim Namen nennen?“ fragt er in Anspielung auf die Nennung eines IM mit vollem Namen. Ein interessanter Hinweis, für den bestimmt auch NS-Verbrecher schon 1963 dankbar gewesen wären.

Just am gleichen Tag meldet dann die Süddeutsche Zeitung, daß Christian Schertz im Auftrag von Heike Makatsch versucht hatte, Das Neue und die Neue Post zu verklagen. Diese beiden Regenbogenblätter hatten die Schauspielerin und ehemalige Bravo-TV-Moderatorin mit ihrem Kind abgelichtet. Schertz wollte nicht nur eine Persönlichkeitsrechtsverletzung festgestellt wissen, sondern auch noch die erkleckliche Summe von 35.000 Euro Schmerzensgeld für seine Mandantin. Die Klage wurde jedoch vom Münchner Landgericht abgeschmettert.

Christian Schertz, Thomas Schuler (Hg.): Rufmord und Medienopfer, Die Verletzung der persönlichen Ehre. Ch.Links Verlag, Berlin 2008, broschiert, 256 Seiten, 19,90 Euro

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