© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/08 30. Mai 2008

Linker Brummkreisel
Lafontaine, Nahles, Schwan & Co.: Rot-roter Testlauf Phase eins
Michael Paulwitz

Demokratie in Gefahr, raunt es seit Wochen aus dem Spiegel: sinkende Wahlbeteiligung, abstürzende Mitgliederzahlen bei den Volksparteien, Desinteresse an Politik und ihrem Personal. Kein Wunder bei dem Schauspiel von inhaltsfreiem Kleinkrieg, Intrigieren und Blockieren, das die vornehmlich mit sich selbst beschäftigten Akteure zwischen hysterischen Ritualen denen bieten, die ihnen noch zuschauen. Nicht nur die Große Koalition, das gesamte Parteiensystem erinnert eher an eine Schülerbande, die beim Klassenausflug der Aufsicht entwischt ist.

Klassenrüpel Oskar gibt die Richtung vor. Auf dem ersten regulären Parteitag der mit West-Gewerkschaftern und linksextremen Sektierern zur "Linken" erweiterten SED-PDS zelebrierte deren Co-Vorsitzender Lafontaine seine neue Truppe als kommende Kraft, die vor selbiger kaum laufen kann. Der wie nebenher errungene Erfolg bei der Schleswig-Holstein-Wahl schien ihn prompt zu bestätigen.

Die Etablierung der Linkspartei auch im Westen wird auf absehbare Zeit nicht umkehrbar sein. Zu viele Unterstützer haben sie in Medien und vorpolitischen Netzwerken. Zu offen sind die Türen, die sie in einem Parteiensystem einrennen wollen, das zentrale Elemente ihrer Ideologie unhinterfragt für allgemeingültig erklärt hat - vom "Antifaschismus" als Staatskult bis zur apodiktischen Definition der staatsgesteuerten Vermögenseinziehung und Umverteilung als einzig zulässiger Form der "sozialen Gerechtigkeit".

Ein beträchtlicher Teil der Größe des linken Scheinriesen ist daher geborgt vom fehlenden Willen der anderen zum Widerspruch. Verlängert wird der Kredit durch den bewußten Verzicht auf jegliche unideologische, an den Lebensrealitäten orientierte Programmatik. Das mußte auf dem Cottbusser Parteitag ausgerechnet die Lafontaine-Ehefrau Christa Müller erfahren, die mit einem Programmentwurf zur Familienpolitik scheiterte, der inzwischen freilich sogar für die CDU zu konservativ wäre.

Zudem funktioniert der Cäsarismus des Saar-Napoleon, der sich am Mitregieren aus der Opposition berauscht, nur solange der Anführer die Truppe von Sieg zu Sieg führen kann. Selbst unter diesen günstigen Umständen verstummt das Murren nicht und kostet Wiederwahl-Stimmen. Bei größeren Rückschlägen könnte die Egomanie ihres Gurus den Genossen rasch unerträglich werden und bei Lafontaine - wieder einmal - zu Trotzreaktionen führen. Nicht ausgeschlossen, daß die Linkspartei, die derzeit in ihrem Siegeslauf weder Ochs noch Esel aufhalten zu können scheint, bald genug ein Haider- oder Schönhuber-Problem bekommen, das sie wieder auf Normalmaß stutzt.

Rivale Kurt, der ewige Zweite, hat nicht die Geduld, so lange abzuwarten, und auch nicht die Autorität, so eine Strategie durchzusetzen. Er wäre ja selbst gern der Stärkste in der Klasse, kann sich aber nicht entscheiden, ob er sich dafür mit Kraftmeier Oskar oder mit Streberin Angela zusammentun soll. Das Machtvakuum füllt die vorlautere Fraktion unter seinen verbliebenen Anhängern: die Parteilinken. Deren Wortführerin Andrea Nahles ist längst die heimliche Anführerin der SPD. Sie hat entschieden, daß Gesine Schwan gegen Horst Köhler als Bundespräsidentin kandidieren soll, ihr Noch-Vorsitzender Kurt Beck und Fraktionschef Peter Struck mußten sich fügen. Auch Müntefering, der sich mit Distanzierungsappellen zurückmeldet, ist an ihr schon gescheitert.

Damit hat Nahles ihrer Partei einen rot-rot-grünen Testlauf verordnet, der fast zwangsläufig in die Koalition mit den angeblich nicht regierungsfähigen Linken führt. Die werden sich anzupassen wissen wie die Grünen, wenn es soweit ist; das weiß auch der eben im Bundesrat von seinem Koalitionspartner düpierte rot-rote Vorreiter Wowereit. Kurt Beck jedenfalls ist scharpingisiert, Andrea Nahles ist sein Lafontaine und kann sich aussuchen, wann sie ihn ganz absägt.

Mit so einem Schwächling als Freund gibt's nur noch Streit, und nichts klappt mehr. Selbst bei den einfachsten Streichen kneift er, bei denen sonst immer die ganze Klasse mitmacht, etwa bei der Diätenerhöhung. Das ärgert die Klassenbeste, die fleißige Angela. Weil sie um jeden Preis Klassensprecherin bleiben will, tut sie sich seit neuestem sogar mit den Grünen zusammen, den Schmuddelkindern, über die sie und ihre Clique früher nur die Nase gerümpft haben. Doch was tut man nicht alles, um ganz oben zu bleiben? Bürger-liche Prinzipien sind da nur hinderlich.

Pech für Guido Westerwelle, um den sich früher alle gerissen haben. Der steht nun an der Seitenlinie, fuchtelt wild mit den Armen. Eben noch hat er mit Angela marktwirtschaftliche Bonbons und reformerische Liebesbriefe getauscht, jetzt will sie von alledem nichts wissen. Ja, wäre er mutiger, dann könnte er jetzt Möllemanns "Projekt 18" wieder hervorholen und die nationalliberale Karte ziehen, um eine freiheitliche Gegenposition zum grassierenden Sozialdemokratismus aufzubauen, dem alle anderen hinterherlaufen. Aber der Schuh ist Westerwelle denn doch zu groß.

Es soll ihm ja nicht so ergehen wie den Außenseitern, die immer in der rechten Ecke stehen müssen. Wenn es darum geht, einen von denen zu verprügeln, ist sich die zerstrittene Rasselbande auf einmal wieder einig. So brummt der Linkskreisel also in lärmendem Stillstand weiter. Bis er mal von selbst umfällt.

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