© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/08 30. Mai 2008

Die Fehler der anderen
Bundespolitik: Auf ihrem Parteitag in Cottbus präsentiert sich die Linkspartei selbstbewußt als kommende politische Macht
Markus Schleusener

Die Linkspartei steht gut da, ein Jahr nach ihrer "Gründung". In vier Länderparlamenten im Westen ist sie jetzt vertreten. 73.000 Mitglieder bekennen sich zu ihr. Sie würde bei Wahlen die FDP als drittstärkste Kraft im Bundestag ablösen, und im kommenden Jahr darf die Partei darüber mitentscheiden, wer zum deutschen Staatsoberhaupt gewählt wird. Bodo Ramelow könnte zudem in Thüringen zum ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei gewählt werden. Kurz vor dem Parteikonvent der Postkommunisten in Cottbus am vergangenen Wochenende hat der 52jährige gebürtige Niedersachse seinen Führungsanspruch bekräftigt: "Ich will Ministerpräsident in Thüringen werden." Wenn die CDU 2009 ihre absolute Mehrheit verliert, könnte sein Traum in Erfüllung gehen.

Als Oppositionsführer muß er sich mit seinen Forderungen nicht an der Wirklichkeit messen lassen. 50 Milliarden will die Linkspartei für ein Investitionsprogramm aus dem Hut zaubern. Das hat sie am vergangenen Wochenende beschlossen. Und wie soll das alles bezahlt werden?

Für Bodo Ramelow kein Problem: Wir müssen nur unser Steuerniveau auf das der OECD-Staaten anheben. "Wenn wir nur den Durchschnitt der anderen Länder einnehmen, dann würden wir 110 Milliarden Euro jährlich an Steuermehreinnahmen haben", sagte er im ZDF. Deutschland also ein Land der niedrigen Abgabenlast? Doch zur Musterrechnung gehört auch das klar umrissene Feindbild: Großkonzerne und Superreiche. Deswegen will Ramelow die Börsenumsatzsteuer, Kapitalertragsteuer, Vermögensteuer und Erbschaftsteuer schaffen oder erhöhen. Kein Wort über höhere Einkommensteuer, höhere Abgaben, höhere Mineralöl- oder Umsatzsteuer. Sie würden auch die Masse der Wähler und damit die Anhänger der Linkspartei treffen. Dann forderte er die Rückkehr zu den Steuermindestmaßen, die "bei Helmut Kohl noch gegolten haben". Gerhard Schröder dagegen habe die "Asozialität zur Tagespolitik gemacht" und die Geburt der Linkspartei damit befeuert.

Auch Oskar Lafontaines Rede auf dem Cottbusser Parteitag war wieder gespickt mit verbalen Attacken und ebenso einfachen wie fragwürdigen Rechenmodellen. Stark ist Lafontaine, wenn er die Fehler der anderen Parteien kritisiert. Viel Zustimmung dürfte ihm seine Forderung nach Abzug der Bundeswehr aus dem Ausland einbringen. Oder seine Kritik am EU-Verfassungsvertrag.

Aus aktuellem Anlaß weist er auf die Geldverschwendung bei diversen Landesbanken hin. "Ich wollte mal die öffentliche Berichterstattung erleben, insbesondere die der Bild-Zeitung, wenn bei der Landesbank in Bayern nicht Huber, sondern ein Linker Finanzminister gewesen wäre, wenn in Nord­rhein-Westfalen nicht Rüttgers und Steinbrück, sondern ein Linker Verantwortung getragen hätte, wenn in Sachsen nicht Milbradt, sondern ein Linker verantwortlich gewesen wäre - die Zeitungen wären nicht mehr groß genug", kommentiert er die Milliardenverluste bei den Landesbanken in Sachsen und Bayern. "Die anderen können nicht mit Geld umgehen! Wir können diesen Vorwurf, der uns gemacht wird, jetzt spielend zurückwerfen", sagt Lafontaine.

Eine Verkäuferin mit einem Gehalt von 1.000 Euro im Monat bekommt 400 Euro Rente in Deutschland, rechnet Lafontaine vor. In Dänemark bekäme sie das Dreifache, behauptet er. Nähere Angaben, also zum Beispiel, wo die dreimal höhere Rente herkommen soll, macht er nicht.

Das Muster bei Lafontaine wie Ramelow ist immer das gleiche: Die Linkspartei fordert lauter unbezahlbare Dinge und hat eine Rechnung parat, wie sich das angeblich spielend finanzieren läßt. Es ist immer der Weg des geringsten Widerstands (aus Sicht der Wähler). Nicht die Arbeitnehmer müssen mehr leisten, nicht die Leistungsempfänger ihre Ansprüche herunterschrauben. Das anonyme Großkapital kommt für alles auf.

Ein Geisterdebatte. Sie erinnert an die Forderungen aus den achtziger Jahren in der alten Bundesrepublik nach der 35-Stunden-Woche in bei vollem Lohnausgleich. Die Botschaft, von Lafontaine vehement vorgetragen, lautete damals: Ihr braucht weniger zu arbeiten und bekommt dafür mehr Geld. Das hat natürlich in der Wirklichkeit genausowenig funktioniert, wie das Modell der Linkspartei von heute funktionieren würde.

Im nächsten Jahr könnte es soweit sein. Dann stehen unter anderem Landtagswahlen in Thüringen und im Saarland an. SPD-Chef Kurt Beck könnte in beiden Ländern die Wahl von linken Ministerpräsidenten unterstützen, wenn die Linkspartei ihn dafür zum Kanzler wählt und Oskar Lafontaine obendrein auf einen Posten in seinem Kabinett verzichtet. Bodo Ramelow bekäme dann Gelegenheit zu zeigen, wie realitätsnah seine Vorstellungen sind.

Foto: Gregor Gysi und Oskar Lafontaine in Cottbus: 50 Milliarden für ein Investitionsprogramm

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