© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/08 30. Mai 2008

Flugverbot für den roten Adler
Da läuft's einem kalt den Rücken runter: Auf Deutschlands wackere Liedgutwächter wartet viel Arbeit
Thorsten Thaler

Und ist es auch Irrsinn, so hat es doch Methode. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, hat jetzt die (inoffizielle) Landeshymne von Brandenburg scharf kritisiert und den Landespolitikern mangelnde Sensibilität im Umgang mit "historisch brisanten Dingen" vorgeworfen. Anlaß für Kramers Kritik sind neue Erkenntnisse über den Komponisten Gustav Büchsenschütz. Dieser hatte das bereits 1923 komponierte Lied "Märkische Heide" 1934 selbst als "vielgesungenes Lied der nationalsozialistischen Erhebung" bezeichnet.

Kramer monierte gegenüber der Berliner Zeitung, das Lied sei als "Landser- und Nazi-Lied" bekannt gewesen. Es verbiete sich von selbst, daß das Lied bei der Eröffnung der Neuen Synagoge in Potsdam 2012 gesungen werde. Auch die Linkspartei in Brandenburg fordert, bei offiziellen Anlässen den roten Adler nicht mehr hoch über Sumpf und Sand und dunkle Kiefernwälder steigen zu lassen. Der kulturpolitische Sprecher der Linken im Potsdamer Landtag, Gerd-Rüdiger Hoffmann, erklärte, der Staat solle ein solches Lied nicht protegieren. Es sei wegen seiner Entstehungsgeschichte und auch musikalisch gräßlich.

 Wenn das Beispiel Schule macht, öffnet sich den wackeren Liedgutwächtern ein weites Feld. Zahlreiche (inoffizielle) Landeshymnen in Deutschland sind mindestens in halbdunkler Zeit, wo noch Kaiser, Könige und Fürsten (von Führern zu schweigen) walteten, entstanden und enthalten die gräßlichsten Textzeilen. "Gib gern dem Kaiser, was dem Kaiser,/ Du treue Stadt im deutschen Land" (Bremer Hymne). Oder: "Wo die Schwerter man schmiedet dem Lande zur Wehr" (Bergisches Heimatlied). Später dann natürlich allen voran das Niedersachsenlied: "Aus der Väter Blut und Wunden/ Wächst der Söhne Heldenmut./ Niedersachsen soll's bekunden:/ Für die Freiheit Gut und Blut." Da läuft's einem doch kalt den Rücken runter. Es gibt also noch viel zu tun für Kramer & Konsorten.

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