© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/08 30. Mai 2008

Frisch gepresst

Bismarck-Mythos. Vor zehn Jahren, zu Bismarcks 100. Todestag, wußten 53 Prozent der Deutschen nichts mehr mit dem Reichsgründer anzufangen. Und die übrigen 47 Prozent, so möchte man sarkastisch ergänzen, dachten bei seinem Namen gewiß an Selter oder Schnaps. Jedenfalls belegt der 1976 geborene Historiker Robert Gerwarth mit diesem Umfrageresultat das Ende dessen, was Gegenstand seiner ideologiehistorischen Untersuchung bildet, die den Bogen von der Entlassung des ersten Reichskanzlers im März 1890 bis in die Zeit nach der kleinstdeutschen Wiedervereinigung spannt (Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der Eiserne Kanzler. Siedler Verlag, München 2007, gebunden, 285 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro). Gerwarth reißt mit seiner mitunter arg drögen Schilderung des Funktionswandels einer politischen Identifikationsfigur keine Bäume aus. Dafür gibt es einfach zu viele Vorarbeiten, in deren Spuren sich der geschickt kompilierende junge Mann zu bewegen weiß. Aber gerade für die Zeit nach 1945 gelingt ihm am "Fallbeispiel" Bismarck die sehr anschauliche Demonstration des lawinenartig abrollenden Mentalitätswandels, der sich zwischen 1960 und 1990 in Westdeutschland vollzogen hat. Wie radikal der Bruch war, das ist nachzulesen bei Theodor Schieder, der glaubte, kräftig "Wiedergutmachung" leisten zu müssen, und er nimmt bei dem Bonner Politologen Karl Dietrich Bracher schon gespenstische Züge an, wenn er die "Zerschlagung des Staates von 1871" bejubelt. Nicht zu reden vom geistigen Kleingärtner Gustav Heinemann, der als Bundespräsident 1971 befand, Bismarcks Werk gehöre nicht in die "schwarz-rot-goldene Ahnengalerie".         

 

Simbabwe. Während seine aus der völlig heruntergekommenen, verarmten, durch und durch korrupten früheren afrikanischen Kornkammer vor Hunger und Gewalt geflohenen Landsleute in den südafrikanischen Townships den Pogromen xenophober Xhosas ausgesetzt sind, erneuert ihr Diktator Robert Mugabe seine Drohungen gegen die letzten Weißen im Land und deren "imperialistische" Fürsprecher in den USA und in Europa. Der Journalist Hans-Joachim Löwer hat wegen der staatlichen Repressalien als Rucksacktourist getarnt das frühere Rhodesien bereist und eine ergreifende Reportage verfaßt. Er beobachtet die Agonie und rekapituliert die als "Landreform" bezeichnete Enteignung der 4.000 weißen Farmer, deren versteppter Besitz oftmals von Mugabes Guerilla-Veteranen geplündert zurückgelassen worden ist. Nach gut vier Wochen mußte Löwer schließlich das Land verlassen, da ihm Verhaftung und Folter der Schergen des Diktators aus Harare drohten (Im Land des Hasses. Undercover durch Simbabwe. Herbig Verlag, München 2008, gebunden, 234 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro).

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