© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/08 30. Mai 2008

Auf dem Männerspielplatz: Steig in den Panzer
Das höchste der Gefühle
Toni Roidl

Auch Männer haben Gefühle; auch Männer haben Träume. Das höchste der Gefühle: einmal selbst einen Panzer fahren! Dieser Traum wird jetzt wahr - durch eine Erfurter Erlebnisagentur.

Soziologen wissen, wie wichtig das Abenteuerspiel für die Entwicklung von Jungs ist. Weil das vorpubertäre Jungenalter bei Männern praktisch bis ans Lebensende anhält, müssen auch erwachsene Mannsbilder manchmal herumtollen. Bisher begnügten sich Männer damit, sich zum Beispiel Rennen mit frisierten Aufsitz-Rasenmähern zu liefern. Manager schlagen Golfbälle durch Industrie-Ruinen, Büroangestellte beschießen sich beim "Paintball" mit Farbgelee-Patronen.

Aber das ist alles nur ein fader Kindergeburtstag! Die Erlebnisagentur NoLimits24 erlaubt wahren Männern, die ultimative Machtphantasie auszuleben: Steig ein in den Panzer!

Für dreißig Minuten dürfen Teilnehmer ab 16 Jahre selbst das Gelände durchpflügen. Allerdings nach der gründlichen Einweisung und unter Begleitung durch einen fachkundigen Mitarbeiter. Ansonsten braucht man nichts weiter als "bequeme Kleidung und wetterfeste Schuhe". Vorteil des Stahlgehäuses: Das Vergnügen kann bei jedem Wetter stattfinden, solange die Sicht ausreichend ist.

Drei verschiedene Modelle stehen zur Verfügung: Der Panzerwagen SPW 40 läßt sich mit Gas, Bremse, Kupplung und Lenkrad (fast) wie ein Auto fahren. Die Kettenpanzer BMP (Schützenpanzer) und T55T (Bergepanzer) bewegen sich zwar deutlich langsamer, dafür mit kolossaler Wucht durchs Gelände. O-Ton Werbeprospekt: "Mit dem T55T machen Sie alles platt, was Ihnen in den Weg kommt"!

Genau das tat Rapper Tony D. vom Berliner Aggro-Label. Er setzte sich für ein Musikvideo werbewirksam in den Tank und zermalmte spektakulär ein paar alte PKW. Das Video ist auf der Internetplattform Youtube zu sehen. Und wer denkt nicht manchmal heimlich daran, den Schnarcher im Auto vor einem einfach mit 34 Tonnen zu überrollen.

Doch Spaß beiseite: Für die besondere Abwechslung vom Stop-and-Go-Verkehr auf Deutschlands Straßen muß man 80 (SPW 40) bis 290 Euro (BMP und T55T nacheinander) auf den Tisch legen. Tröstlich heutzutage: Sprit inklusive!

Wer davon gar nicht genug bekommen kann, kann sich sogar seinen eigenen Panzer kaufen: Für schlappe 39.900 Euro wandert ein demilitarisierter Schützenpanzer BMP-1 Baujahr 1989 aus sowjetischer Entwicklung in den Warenkorb. Leistung: 300 Pferdestärken. Nachteil: Der Käufer trägt die nicht geringen Überführungskosten des Gefährts. Der Panzertyp BMP-1 ist ein Veteran: Er diente im Jom-Kippur-Krieg, der sowjetischen Besatzung Afghanistans, in den drei Golfkriegen, in Jugoslawien und Tschetschenien.

Insgesamt hinterließ die Nationale Volksarmee der DDR sage und schreibe 2.761 Kampfpanzer. Rund 500 davon kamen nach Griechenland, circa 150 nach Skandinavien. Noch heute nutzen Militärs NVA-Panzer von Albanien bis Vietnam - aktuell auch in Myanmar. Schlagzeilen machte Anfang der 1990er Jahre der Verkauf von Schützenpanzerwagen SPW 60 durch die Bundesrepublik Deutschland an die Türkei, allerdings mit der Vertragsklausel, daß diese nicht in inneren Konflikten, explizit gegen die Kurden, eingesetzt werden dürfen.

Die Einsatzorte von NoLimits24  (www.nolimits24.de) für Hobbyfahrer liegen bei Berlin, Magdeburg, Erfurt und Leipzig. Dabei handelt es sich aber nicht wie zu erwarten um ehemalige Militärliegenschaften, sondern um speziell präparierte Areale. Die behördlichen Auflagen für Abgas- und Lärmemissionen sowie Bodenverunreinigungen sind streng. Proteste von Umweltschützern gab es bisher nicht.

Während der Fahrschüler vorne links neben dem Motor sitzt und durch seine Sichtluke schaut, steht der obligatorische "Fahrlehrer" im Turm und erteilt Anweisungen. Natürlich nicht im Kommando-Ton, sondern serviceorientiert freundlich.

Wem das Militärische dann aber trotzdem nicht liegt, der kann bei NoLimits24 auch Gold schürfen, angesichts steigender Bierpreise einen Braukurs belegen, eine Tortenschlacht veranstalten, mit dem Trabi Cabrio in Ostalgie schwelgen und derweil geschichtsträchtig das Barbarossa-Denkmal auf dem Kyffhäuser umrunden, "in echt" im U-Boot abtauchen, mit dem Rennbob die Eispiste herunterjagen oder eben doch nur mit Bagger, Planierraupe und Riesen-Radlader den Spieltrieb ausleben.

Wir tippen darauf, daß die männlichen Kunden aus allen sozialen Schichten kommen, schließlich sind Männer in der Hinsicht doch alle gleich, oder? Rolf Hecker, Marketing-Manager der 2006 in Erfurt gegründeten Erlebnis­agentur Nolimits24, sagt der JUNGEN FREIHEIT: "Na ja, der typische Opernbesucher ist eher nicht dabei ... aber ansonsten ist das Publikum sehr vielfältig. Und auch Frauen wollen gerne mal Panzer fahren."

Das leuchtet durchaus ein: Denn wer damit einparken kann, schafft es überall!

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