© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/08 06. Juni 2008

Alle zittern vor Fritz Dinkhauser
Österreich: Tirol könnte erstmals eine Landesregierung ohne ÖVP-Beteiligung erhalten / Grüne und FPÖ hoffen auf Stimmenzuwachs
Michael Howanietz

Die am 8. Juni stattfindenden Landtagswahlen könnten den österreichischen Landesteilen Tirols einen Regierungswechsel bescheren. Landeshauptmann Herwig van Staa (ÖVP) hat laut Demoskopen jedenfalls allen Grund, um seine absolute Mandatsmehrheit zu fürchten, die er 2003 mit 49,9 Prozent (20 von 36 Abgeordneten) erringen konnte. Die Partei des Landesvaters wirbt auf ihren Plakaten nicht nur "für klare Verhältnisse", sondern inzwischen auch mit dem uralten Konrad-Adenauer-Wahlspruch "Keine Experimente!".

Mitauslöser dieser Befürchtung ist der 68jährige ÖVP-Dissident und frühere Arbeiterkammer-Präsident Fritz Dinkhauser, der in Umfragen bei 13 Prozent liegt. Auf der "Liste Fritz Dinkhauser - Bürgerforum Tirol" findet sich unter anderem der Obmann des Transitforum Tirol, Fritz Gurgiser, eine lokale Kultfigur mit hohem Sympathiefaktor, die glaubwürdig das Reizthema des ausufernden Alpentransits besetzt. Der "schwarze Gewerkschafter" und ehemalige Olympiateilnehmer Dinkhauser, der in Deutschland wohl letztendlich beim Lafontaine-Flügel der Linkspartei gelandet wäre, fordert unter anderem die "Auflösung der für das Land ungesunden Seilschaften", eine "Garantie, daß kein Eigentum des Landes verkauft wird" und "zur Stärkung und Unterstützung der Familien" den "kostenlosem Kindergarten- bzw. Hortbesuch". Auch SPÖ-Spitzenkandidat Hannes Gschwentner, der seit 2003 Juniorpartner der Landes-ÖVP ist, ahnt, daß seine Partei nach den 25,85 Prozent diesmal froh sein muß, die 20-Prozent-Hürde zu nehmen. Denn von der Bundespolitik aus Wien unter dem großkoalitionären SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer ist sicherlich kein Rückenwind zu erwarten.

Zünglein an der Waage könnten diesmal die Grünen unter Georg Willi werden. Nachdem sie vor fünf Jahren auf 15,85 Prozent kletterten, werden ihnen diesmal zwischen 16 und 20 Prozent zugetraut. Um dies zu erreichen, haben die Grünen ihr Wahlprogramm nicht nur ins Türkische, Bosnische und Englische übersetzt, sondern auch eine Leichter-Lesen-Version für Menschen "mit Lernschwierigkeiten" im Angebot. Willi präferiert im Falle eines Regierungseintritts die Zusammenarbeit mit einer "geläuterten ÖVP" - oder aber eine Koalition mit SPÖ und Dinkhauser, was die in der Zweiten Republik erstmalige Nichtteilhabe der ÖVP an der Tiroler Landesregierung zur Folge hätte. Zu erwarten sei aber eine Fortsetzung von Schwarz-Rot, vermuten nicht nur die Grünen.

Bei den Wahlkampfbudgets immerhin bleibt die aktuelle Koalition unangefochten führend. Mit 1,5 Millionen bzw. 700.000 Euro liegen ÖVP und SPÖ deutlich vor ihren Herausforderern. Die Grünen geben nur 400.000 Euro und Dinkhauser 350.000 Euro als verfügbare Mittel an.

Die FPÖ mit Spitzenkandidat Gerald Hauser hält sich diesbezüglich bedeckt, benennt dafür aber ihr Wahlziel von wenigstens zehn Prozent. 2003 waren die Freiheitlichen von 19,67 auf 7,99 Prozent abgestürzt. Nun sollen Themen wie der "ÖVP-Privilegien-Stadl", "Islamismus" oder "Treibstoff-Wucher" für Wählerzuspruch sorgen. Im Bundes­trend wird die Partei von Heinz-Christian Strache immerhin mit 17 Prozent klar vor den Grünen (15 Prozent) gehandelt - doch da buhlt auch kein Dinkhauser um "Proteststimmen".

Das 2005 von der FPÖ abgespaltene BZÖ unter Ex-Parteichef Jörg Haider steht in Tirol nicht auf den Stimmzetteln, nachdem das Wahlbündnis mit der Freien Partei Tirol (FPT) des ehemaligen Tiroler FPÖ-Obmanns Willi Tilg kurz nach seiner Verkündigung gescheitert ist. Tilg gab indes eine Wahlempfehlung für die ÖVP ab.

Die ÖVP ist angesichts der zuletzt prognostizierten 39 Prozent für jedwede - auch indirekte - Unterstützung dankbar. Daher kam es sicher auch SPÖ, Grünen und FPÖ zupaß, daß weder Dinkhauser noch die KPÖ (die in der Steiermark seit zwei Legislaturperioden im Landtag sitzt) am vergangenen Sonntagvormittag bei der Elefantenrunde im Innsbrucker Fernsehstudio vertreten waren.

Denn gemäß der ORF-Einladungspraxis werden nur "Vertreter von Parteien, die bereits im Landtag vertreten" sind, ins Landesstudio geladen. "Durch dieses Vorgehen wird das Informationsrecht der Tiroler Bevölkerung mit Füßen getreten", erklärte Dinkhauser. Eine TV-Diskussion ohne van Staas wesentlichen Herausforderer sei eine "demokratiepolitische Farce". Die Kommunisten kritisierten die Einteilung in Wahlkämpfer "erster und zweiter Klasse" und kündigten einen Protest beim ORF-Senderat an.

Foto: Dinkhauser und FPÖ-Wahlplakate: "Das Informationsrecht der Tiroler Bevölkerung mit Füßen getreten"

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