© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/08 06. Juni 2008

EM 2008
Klinsis Stammelf
Arthur Hiller

Lange nach dem Ende der schwarzrotgoldenen Euphorie mag man es ruhig bekennen: Das deutsche "Sommermärchen" der WM 2006 hat sich weitgehend abseits des grünen Rasens zugetragen. Es war der Stil des Klinsmann-Teams, der die Zuschauer in Hochgefühle versetzte - eine souveräne Leistung bot die deutsche Nationalmannschaft eigentlich nur in der Partie gegen Argentinien, die glücklich, durch Elfmeterschießen, gewonnen wurde. Ansonsten siegte man gegen erkennbar schwächere Gegner, verlor gegen Italien und bezwang Portugal in einem Spiel, in dem es um nichts mehr ging.

Joachim Löw hat sich vom Begeisterungstaumel nicht anstecken lassen, sondern zielstrebig die Behebung der Defizite im Kader in Angriff genommen. Da sich Ausnahmespieler nicht aus dem Hut zaubern lassen und Talente auch nicht immer den Weg nehmen, den man sich für sie erhoffen darf, mußte er sich auf das beschränken, was möglich war. Und das hieß in erster Linie: eine Verbreiterung des Reservoirs, aus dem die Nationalmannschaft schöpfen kann. Am markantesten zeigte sich dieser Ansatz im verlorenen Freundschaftsspiel gegen Dänemark, in dem Löw zahllosen neuen Gesichtern eine Chance gab, von denen manche nur eingefleischten Beobachtern des Bundesligageschehens ein Begriff waren.

Allerdings blieben auch dieser Strategie enge Grenzen gesetzt. Von den 17 Nationalspielern, die bislang unter Löw debütierten, sind die meisten schon wieder passé. Durchgesetzt haben sich einzig Mario Gomez und mit Abstrichen Clemens Fritz. Darüber hinaus sind lediglich weitere vier Neulinge der Ära Löw als "Ergänzungsspieler" im EM-Aufgebot - und als Reserve des Reservetorwarts Rene Adler, der noch kein Länderspiel absolvierte. Als erste Wahl gelten somit weiterhin jene, die bereits unter Jürgen Klinsmann die Stammformation bildeten. Dies wäre unbedenklich, wenn sich die zumeist noch recht jungen Spieler in den vergangenen zwei Jahren weiterentwickelt hätten. Von den meisten läßt sich solches aber nicht behaupten, und auf manchen Positionen, insbesondere Tor und Innenverteidigung, stößt man auf Probleme, die bei der WM unbekannt waren. Einzig Michael Ballack hat sich endlich zu jenem Format gesteigert, das man früher nur für möglich hielt. Aber er spielt ja auch bei einem europäischen Spitzenverein und nicht in der Bundesligaprovinz.

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