© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/08 06. Juni 2008

Spott mit Esprit
Jules Barbey d'Aurevilly
Georg Alois Oblinger

Als Höflichkeit noch etwas galt, konnte man mit Worten grausam sein, konnte demütigen und Furcht verbreiten, und die Lebendigkeit des Stils und die Bildhaftigkeit des Ausdrucks profitierten davon. Selbst in der Verachtung lag noch Höflichkeit - dieser letzte Schliff, der ihr erst richtig Schwung gab." Mit diesen Worten trifft Jules Barbey d'Aurevilly (1808-1889) sehr gut seine eigene Geisteshaltung.

Der exzentrische Schriftsteller war ein großer Spötter, doch wahrte er dabei immer eine gewisse Eleganz der Sprache sowie Klugheit und Esprit in der Wahl seiner Bilder und Vergleiche. Wenn gewöhnliche Menschen ihre Ecken und Kanten abschleifen - manchmal sogar so sehr, daß sie dabei jedes Profil verlieren -, hat Barbey die seinigen sogar noch forciert. Anläßlich seines 200. Geburtstags in diesem Jahr hat Matthes & Seitz eine Aphorismen-Sammlung Barbeys in deutscher Erstübersetzung vorgelegt. Bereits vor zwei Jahren hatte der Berliner Verlag das vielbeachtete Essay "Über das Dandytum" des streitbaren Franzosen publiziert.

Barbey d'Aurevillys extravagantes Auftreten sorgte schon zu Lebzeiten für Aufsehen, verbaute ihm aber manche Anerkennung als ernstzunehmender Schriftsteller. Derselbe Zwiespalt findet sich in seinem Stil, der zwischen Noblesse und Brutalität laviert. Anatol France schreibt in seinem Nachruf: "Seine Bizarrerien waren nie gemein. Er war exzentrisch und hatte doch ein ausgeglichenes Naturell. (...) Er betonte bei jeder Gelegenheit seinen Glauben, bekannte ihn aber am liebsten durch Lästerung." In seinen Werken läßt Barbey das Böse einerseits als faszinierend erscheinen, nimmt aber andererseits einen kämpferisch-katholischen Standpunkt ein. Hauptgegner seiner verbalen Attacken war die verbürgerlichte Gesellschaft. So steht er in Kontinuität zu de Bonald und de Maistre, betont die prägende Bedeutung der katholischen Kirche und warnt vor einem "Ende der christlichen, also der zivilisierten Welt, die in maßloser Anarchie vergehen wird, schlimmer als Barbarei, denn Barbarei kennt Disziplin, doch Anarchie ist Chaos".

Auch ein gespaltenes Verhältnis zu Frauen kann Barbey attestiert werden. Sieht er die Frau vorwiegend in der Opferrolle und hat für sie meist nur Verachtung übrig, kann er sich für eine machtbewußte Frau dennoch begeistern. Trotz alledem wendet er sich deutlich gegen die damals schon beginnende Emanzipation und bekundet seinen Abscheu gegenüber "vermännlichten Weibchen".

Jules Barbey d'Aurevilly: Feinheit des Geistes rührt von Niedertracht. Matthes & Seitz, Berlin 2008, gebunden, 160 Seiten, 17,80 Euro

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