© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/08 13. Juni 2008

Zwischen Datenschutz und Sicherheit
BKA-Gesetz: Das Bundesinnenministerium wehrt sich gegen den Vorwurf, das Bundeskriminalamt werde zu einer Spitzelbehörde ausgebaut
Josef Hämmerling

Mit dem in der vergangenen Woche vom Bundeskabinett beschlossenen BKA-Gesetz wird nach Ansicht von Kritikern der alles überwachende "Big Brother" aus George Orwells Roman "1984" nun endgültig Wirklichkeit. Zwar verweist Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) darauf, daß das Bundeskriminalamt erstmals eigene, auch präventive Befugnisse im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zugesprochen bekommt. Dazu soll die Behörde weitreichende Möglichkeiten von der heimlichen Online-Durchsuchung von Computern über erweiterte Lausch- und Spähangriffe bis zur Rasterfahndung erhalten. Das Gesetz, das spätestens Anfang 2009 in Kraft treten soll, halte sich aber an das Grundgesetz, versichern seine Macher.

Das sehen nicht nur viele Datenschützer anders. So hat sich gegen dieses "Panoptikum der Überwachung" (so die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz) eine breite Opposition gebildet, angefangen von den Oppositionsparteien im Bundestag über Datenschützer bis hin Branchenverbänden wie dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). Einheitliche Meinung: Das BKA werde zur "Super-Spitzel-Behörde mit geheimdienstlichen Kompetenzen", einer Art "deutsches FBI". Besonders scharf fiel die Kritik des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im Bundestag und ehemalige Bundesrichter, Wolfgang Neskovic, aus: Durch das BKA-Gesetz werde erstmals wieder auf deutschem Boden eine Sicherheitsbehörde in die Lage versetzt, "sowohl über sämtliche Befugnisse eines Geheimdienstes als auch der Polizei zu verfügen". Dadurch werde "eine zentrale Lehre aus der Erfahrung der NS-Zeit über Bord geworfen". Und nach Ansicht des Grünen-Bundesvorstands stellt das BKA-Gesetz einen "Best-of-Katalog des Überwachungsstaates" dar.

"Erhebliche Bedenken" hat auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Er kritisierte besonders, daß das BKA trotz seines eingeschränkten Aufgabenbereichs bei der Prävention mehr Befugnisse erhalte, als den einzelnen Landespolizeien zur Erfüllung ihrer eigenen Gefahrenabwehraufgaben zustünden. Ebenfalls "unzureichend" seien die vorgesehenen Regelungen zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung.

Als "völlig inakzeptabel" bezeichnete Piltz die geplante Möglichkeit für das BKA, in Wohnungen ohne strikte Regelung zum Schutz der Intimsphäre der Betroffenen Kameras anzubringen. Zudem würden bei der Klausel zu Online-Razzien die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht eingehalten. Weder sei entgegen früheren Verlautbarungen aus Bundesministerien explizit verboten, zur Installation der Überwachungsprogramme Wohnungen zu betreten, "noch ist der Kernbereichsschutz so ausgestaltet, daß die unantastbare Menschenwürde geschützt wird". Besonders kritisierte die Opposition auch, daß das BKA selbst entscheiden können soll, wann Daten als privat eingestuft werden.

Auch Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer sieht noch "wichtige Fragen offen". So sei etwa der Umfang heimlicher Zugriffe auf Computer durch den Staat nicht klar geregelt. Zudem sei es "nicht eindeutig", ob nur der PC eines Verdächtigen ins Visier der Ermittler geraten dürfe oder auch der Zentralrechner seines E-Mail-Anbieters. Darüber hinaus forderte Scheer höhere Hürden bei der Anordnung einer Online-Razzia. Nach dem Gesetzentwurf sei zwar eine richterliche Genehmigung erforderlich, bei Gefahr im Verzug könne aber das BKA vorläufig selbst entscheiden. Scheer zufolge sollte aber "auch bei Eile zumindest die Zustimmung der Staatsanwaltschaft erforderlich sein".

Schäuble gibt sich von den Anwürfen weitgehend unbeeindruckt. Er verteidigte das BKA-Gesetz in einer Fragestunde des Bundestags: Dieses diene "unserer Aufgabe, die rechtsstaatlich verbürgte Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten". Es sei zwar richtig, daß dieser Gesetzentwurf zur Gefahrenabwehr tiefere Eingriffe in die Grundrechte vorsehe als zur Strafverfolgung und daß diese "teils nicht ganz allein an ganz konkrete Gefahren für höchste Rechtsgüter geknüpft" seien. Grund hierfür sei der "internationale Terrorismus in seiner schwer faßbaren Konkretheit und Abstraktheit zugleich". Dadurch seien genauere Formulierungen nicht möglich.

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