© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/08 13. Juni 2008

Sachsen bleibt CDU-Hochburg
Kommunalwahl: Union behauptet Führungsrolle im Freistaat / Nitzsche zieht in Kreistag ein
Paul Leonhard

Sachsen bleibt konservativ. Die Christdemokraten haben sich bei den Kommunalwahlen als stärkste Kraft behauptet. Die CDU wird mindestens sechs Landräte in den von 22 auf zehn reduzierten neuen Landkreisen stellen. In den übrigen muß am 22. Juni die Stichwahl entscheiden. Auch in der sächsischen Landeshauptstadt werden die Wähler erneut an die Urnen gebeten, da Sozialministerin Helma Orosz lediglich knapp 48 Prozent der Stimmen gewann.

Gleichzeitig hat die rechtsextreme NPD ein überraschend gutes Ergebnis erzielt. Zum ersten Mal zieht sie in alle sächsischen Kreistage ein. Sie erhielt jede zwanzigste Stimme und damit mit rund 160.000 Stimmen viermal soviel wie bei den Kommunalwahlen 2004 (1,3 Prozent). Allerdings hat sie im Vergleich zur Landtagswahl 2004, wo sie mit 9,2 Prozent knapp hinter der SPD landete, erheblich in der Wählergunst eingebüßt. Für die NPD werden künftig mehr als 40 Abgeordnete in den Kreistagen sitzen.

Ein Teil des Wahlerfolges geht auf Kosten der Deutschen Sozialen Union, die lediglich bei der Landratswahl in Nordsachsen, wo die NPD nicht angetreten war, mit 10,9 Prozent ein vorzeigbares Ergebnis erreichte. Leichte Verluste mußten die linken Parteien hinnehmen. Die SED-Nachfolger bleiben zwar zweitstärkste Partei, verloren aber gegenüber 2004 rund 1,6 Prozent der Stimmen. Die SPD erzielte mit 11,6 Prozent ebenso wie die Bündnisgrünen mit 3,1 Prozent leichte Verluste. Die unabhängigen Wählervereinigungen und die Liberalen gingen gestärkt aus der Wahl hervor. Die DSU kam landesweit auf 1,5 Prozent der Stimmen.

Der konservative Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche, der im neuen Großkreis Bautzen als Landrat kandidierte, erreichte 13,2 Prozent der Stimmen und landete auf Platz drei. In seiner ostsächsischen Heimatstadt Oßling stimmte jeder zweite Wähler für den früheren CDU-Politiker, der noch vor den Landratskandidaten von SPD und Grünen landete. Seine "Wählervereinigung Familie, Arbeit, Vaterland" kam auf 4,7 Prozent der Stimmen und stellt künftig vier Abgeordnete im Kreistag.

Stichwahl am 22. Juni

Der 49 Jahre alte Politiker zeigte sich gegenüber der JF zufrieden. "Fast fünf Prozent aus dem Stand sind bei einer Vorbereitungszeit von vier Monaten kein schlechtes Ergebnis. Und auch der dritte Platz bei der Landratswahl kann sich durchaus sehen lassen. Die selbsternannte Volkspartei SPD und die Grünen mit ihren einstelligen Resultaten habe ich deutlich hinter mir gelassen." Nun müsse man das Ergebnis erstmal in Ruhe auswerten und analysieren. Dann werde eine neue Marschkompaßzahl für das weitere Vorgehen ausgegeben, sagte Nitzsche.

Offiziell waren alle Parteien mit dem Wahlergebnis zufrieden. Der FDP-Landesvorsitzende Holger Zastrow freute sich über das "beste Kommunalwahlergebnis seit der Wende" für die Liberalen, die sich mit 8,3 Prozent als viertstärkste Kraft behaupteten. Die Ergebnisse seiner Partei seien "stabil geblieben", sagte Sachsens SPD-Generalsekretär Dirk Panter. Von einem "erfolgreichen Stimmungstest" und einem "Vertrauensbeweis" sprach CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. Die Wahlen hätten gezeigt, daß die Menschen auch unpopuläre Entscheidungen akzeptieren, so der Bundestagsabgeordnete mit Blick auf den Unmut über die neuen Kreiszuschnitte und über die Aufgabe der Kreisfreiheit zahlreicher Städte.

Während Kretschmer "gute Chancen" sieht, daß die NPD bei den Landtagswahlen 2009 an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, fordern andere Christdemokraten einen neuen Umgang mit den Rechtsextremen. Es sei falsch, die Reden der NPD im Landtag zu ignorieren, statt sich mit ihnen inhaltlich auseinanderzusetzen, sagte ein frischgewählter Kreisrat im Landkreis Görlitz. Hier hatte die NPD 7,3 Prozent erreicht, in der unmittelbar an der polnischen Grenze gelegenen Gemeinde Neißeaue sogar 14,9 Prozent. Die Wahlplakate, auf denen gegen die zunehmende Kriminalität an der sächsisch-polnischen und sächsisch-tschechischen Grenze gewarnt wurden, trafen offenbar den Nerv vieler Wähler. In der Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna im Elbsandsteingebirge ging jede vierte Stimme an die NPD.

Daß es den Parteien nicht gelungen ist, die 2,9 Millionen Wahlberechtigten zu mobilisieren, zeigt die geringe Wahlbeteiligung von knapp 46 Prozent. So wenige Sachsen haben seit Wiedergründung des Freistaates noch nie von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Der Negativrekord könnte allerdings bereits am 22. Juni bei den Stichwahlen berichtigt werden müssen. Bis dahin wird wohl auch feststehen, ob das Regierungspräsidium Chemnitz die Wiederwahl der Hartmannsdorfer Bürgermeisterin Kerstin Nicolaus akzeptiert. Diese war wegen der ungerechtfertigten Verwendung von Fluthilfegeldern für den Bau eines Sozialgebäudes zu einer Geldstrafe verurteilt und vom Dienst suspendiert worden. Nun schrieben 70,5 Prozent der Wähler ihren Namen handschriftlich auf den Wahlzettel.

Foto: Henry Nitzsche im Wahlkampf: Mit 13,2 Prozent auf Platz drei

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen