© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/08 13. Juni 2008

EM 2008
Überschrift mit Umbruch
Arthur Hiller

Im portugiesischen Aufgebot des souverän gewonnenen Auftaktspieles gegen die Türkei überzeugte insbesondere der Defensivspieler Pepe, der ebenso wie sein Kapitän Deco gebürtiger Brasilianer ist. Gleiches gilt für Mehmet Aurelio, einen der wenigen Spieler, die auf der Gegenseite halbwegs überzeugen konnten, sowie den in der zweiten Halbzeit gegen Deutschland eingewechselten Roger Guerreiro, der erst im April dieses Jahres polnischer Staatsangehöriger wurde. Wäre Eduardo, der kroatische Nationalspieler und Torjäger in den Diensten von Arsenal London, nicht vor vier Monaten schwer verletzt worden, hätte noch ein weiterer der Fußballweltmacht Nummer eins entstammender Kicker auf der Bühne der EM für Furore sorgen können.

Der imposante Spielerexport aus Brasilien - in den vergangenen 15 Jahren sollen es mehr als 3.000 gewesen sein, die über den Atlantik zogen, um sich in den europäischen Fußballigen zu verdingen - macht sich somit nicht mehr nur in diversen Vereinen, sondern mehr und mehr auch in Nationalmannschaften bemerkbar.

Selbst Deutschland hat hier seine Erfahrungen. Nach der desaströsen Weltmeisterschaft 1998 griff Erich Ribbeck auf Paolo Rink zurück, der 13 Spiele für die DFB-Auswahl absolvierte, ohne sich allerdings durchsetzen zu können. Da er deutscher Abstammung war, erschien seine Berufung als unproblematisch, während man die Offerten von Ailton, immerhin Torschützenkönig der Bundesliga, zurückwies. Insgesamt ist diese Praxis im Fußball immer noch eher unüblich. Während in manch anderen Sportarten Lücken im Kader bedenkenlos durch Einbürgerungen geschlossen werden, herrscht hier weiterhin das Bemühen vor, irgendeinen Bezug zum Land zu konstruieren, für das der Spieler aufläuft. Der multikulturelle Charakter, den Nationalmannschaften wie Frankreich und die Niederlande fast schon traditionell aufweisen und andere erst peu à peu annehmen, ist nicht dem Einkauf von Talenten, sondern schlicht und einfach der ethnischen Zusammensetzung der jungen Generation geschuldet. Markantes Beispiel dafür ist bei der EM die Schweiz, in deren Mannschaft mehr als die Hälfte der Spieler einen "Migrationshintergrund" haben.

Deutschland ist hier ein Nachzügler, nicht zuletzt weil sich die größte Gruppe von Einwanderern verweigert: Auch in Deutschland geborene Türken scheinen lieber für das Land ihrer Väter aufzulaufen.

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