© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/08 13. Juni 2008

Frisch gepresst

Fußball und Kunst. Wer wirklich etwas von Fußball versteht, für den ist diese Sportart seit 1970 Geschichte. Da verloren Helmut Schöns Mannen im 120minütigen Ragnarök das mexikanische Halbfinale gegen Italien 3:4. Vergleichbar sind damit nur "Wankdorf 1954", kein Klassespiel, aber eine mythische Wonne, und das Endgefecht im Wembley-Stadion 1966, als die Briten mit Hilfe eines sowjetrussischen Linienrichters ihr ominöses drittes Tor in der Verlängerung simulierten. Zur Peripetie des Dramas kam es aber schon in der regulären Spielzeit, als der Kölner Wolfgang Weber die Pille mit dem Schlußpfiff zwischen Albions Pfosten knallte: Ausgleich 2:2. Die fotografische Fixierung der Weber-Granate schlägt noch heute in jedes Sun-Gemüt wie "the Blitz" ein. Und für den Berliner Kunsthistoriker Horst Bredekamp verwickelt die Aufnahme den Betrachter bis in alle Ewigkeit in ein "Kaleidoskop der Passionen". Der Wembley-Schnappschuß ist für ihn aber nur eines von mehreren Versuchen, dem Beispiel des Meisters Aby Warburg zu folgen und "kodifizierte Erregungsformen" nicht allein in den Erzeugnissen der "Hochkultur", sondern in profanen Lebensbereichen aufzuspüren. So können die beiden Aufsätze über "Fußball als letztes Gesamtwerk" und seine Deutung der Fotostrecken aus dem "Archiv der Extremerfahrungen" inmitten einer Sammlung kunsthistorischer Aufsätze Bredekamps womöglich den Zugang zu einer Geisteswissenschaft erleichtern, die gemeinhin als verschärft "elitär" gilt (Bilder bewegen. Von der Kunstkammer zum Endspiel. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2007, broschiert, 255 Seiten, Abbildungen, 13,90 Euro).

Preußen. Preußen hat Konjunktur - wieder einmal. Als im vergangenen Jahr der 60. Jahrestag seiner Auflösung begangen wurde, widmete der Spiegel dem untergegangenen Staat eine flott geschriebene und opulent bebilderte Serie. Mit dem Band "Preußen. Eine unbekannte Großmacht" liegt diese, ergänzt um weitere Beiträge, nun in Buchform vor. Vor allem die Artikel der Spiegel-Redakteure lesen sich mitunter so, als seien die Autoren selbst überrascht, daß Preußen sich nicht - wie sonst immer wieder gerne vom Spiegel kolportiert - auf Rückschrittlichkeit und Militarismus reduzieren läßt, sondern eben auch für Fortschritt und Reformen stand. Daneben gibt es in dem Band, der einen guten Querschnitt durch die Geschichte bietet, lesenswerte Beiträge von dem Schriftsteller Günter de Bruyn und dem australischen Historiker Christopher Clark, an dessen jüngst erschienene ausgewogene Preußenstudie das Spiegel-Buch indes nicht heranreicht (Stephan Burgdorff, Norbert F. Pötzl, Klaus Wiegrefe, Hrsg., DVA München und Spiegel-Verlag Hamburg 2008, gebunden, 320 Seiten, 19,95 Euro).

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