© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/08 13. Juni 2008

Kinderjahre in der Monarchie: Faszinierender Einblick in den Alltag der Menschen der Jahrhundertwende
Bunte Bilder aus einem überkommenen Reich
Christian Dorn

Während Österreich gemeinsam mit der Schweiz die Spiele der Fußball-EM 2008 austrägt, gewährt die Dreiländeranstalt 3sat einen Blick in die Jahrhundertwende der einstigen k.u.k. Monarchie um 1900. Daß es dabei kaum auf Schwarzweiß-Klischees hinausläuft, erweist sich schon anhand der beeindruckend bunten Bilder. Denn vor das Auge gerufen werden die "Kinderjahre in der Monarchie": sensationell anmutende handkolorierte Fotografien, ergänzt um die hierdurch zum Leben erweckten Erinnerungen der letzten noch lebenden Zeitzeugen wie etwa der 1899 geborenen Hermine Hinner. Im Unterschied zu den sonst üblichen Schwarzweiß-Aufnahmen überraschen die unerwartet farbigen Bilder bereits aufgrund dieser Eigenschaft - und bauen dank unserer darob irritierten Wahrnehmungsmuster unvermittelt eine Brücke ins Heute.

So ersteht in der filmischen Collage von Robert Gokl, die mit seltenen Filmdokumenten und Tonaufnahmen aufwartet, im Rückblick die Stimmung jener Zeit auf, in der noch Kaiser und König Franz Joseph I. regierte. Dessen überkommenes Reich hatte Robert Musil in seinem epochalen, unabgeschlossenen Romanwerk, dem "Mann ohne Eigenschaften", einst als Kakanien beschrieben - eine Bezeichnung, die hernach aus der Literatur in die Wirklichkeit wandern sollte.

Wie umfassend die dort geschilderte Eigenheit des modernen Menschen, die pessimistisch betrachtete Multioptionalität des "Möglichkeitssinns", freilich heute auf die Bilder des berühmten Wiener Photographen Emil Mayer projiziert werden kann, wird jeder Zuschauer mit sich ausmachen müssen. Überhaupt keine Wahl hatte dagegen Leopold Engleitner, der sich daran erinnert, wie ihm im Ersten Weltkrieg in der Schule verboten wurde, das Wort "Lavoir" zu benutzen - zu einer Zeit, als fließendes Warmwasser praktisch unbekannt war.

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