© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

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Niedersachsen: Der neue CDU-Landesvorsitzende McAllister enttäuscht die Konservativen
Peter Freitag

Die niedersächsische CDU hat seit dem vergangenen Wochenende einen neuen Vorsitzenden: David McAllister, Chef der Landtagsfraktion in Hannover, steht nun auch an der Spitze der Partei als Nachfolger von Ministerpräsident Christian Wulff, der den Landesverband 14 Jahre geführt hatte. Mit einem Traumergebnis von 98,9 Prozent Ja-Stimmen verhalfen die Delegierten in Celle dem 37jährigen aus Cuxhaven zu seinem neuen Amt. Wulff wolle sich, so die offizielle Begründung, in Zukunft ausschließlich auf sein Amt als Ministerpräsident und auf seine Rolle als stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU konzentrieren.

Allerdings hatte Wulff seinen Entschluß zum Amtsverzicht offensichtlich ohne Absprachen mit den Führungsgremien der Partei vollzogen; selbst langjährige politische Weggefährten sowie Kabinettsmitglieder sollen erst aus den Medien vom Führungswechsel erfahren haben und entsprechend "überrascht" gewesen sein. Dies sowie die Art und Weise, mit der Wulff seinen Wunschnachfolger wenige Monate vor dem anberaumten Wahlparteitag mit monarchischer Geste via öffentlicher Verlautbarung in den Stand eines "Kronprinzen" erhoben hatte, soll unter Parteifreunden für Kopfschütteln gesorgt haben, berichteten Eingeweihte.

Wulff nannte als Vorbild für diese neue Doppelspitze die erfolgreiche Ära der Regierung unter Ministerpräsident Ernst Albrecht in den siebziger und achtziger Jahren, in der mit Wilfried Hasselmann auch ein populärer und rhetorisch begabter Landesvorsitzender in Ämterteilung neben dem Regierungschef die Geschicke der Partei bestimmt habe. McAllister wiederum beschwor den Fortbestand der drei politischen Strömungen, aus denen sich die Union speise: aus dem liberalen, dem sozialen und dem konservativen Flügel. Jeder dieser Flügel habe seine Existenzberechtigung und dürfe sich entsprechend artikulieren, sagte er unter dem Beifall der Delegierten. Seine Aufgabe sei es, das Gleichgewicht zwischen diesen Strömungen zu gewährleisten.

Was McAllister, der vielen in der Partei lange Zeit als Hoffnungsträger für eine konservative Neupositionierung galt, dann an Programmatischem vortrug, dürfte die verbliebenen Vertreter dieses Flügels eher enttäuscht haben: Die CDU müsse, so der Sohn einer deutschen Mutter und eines schottischen Vaters, verstärkt die Menschen mit "Migrationshintergrund" ansprechen und sich ihrer Anliegen politisch annehmen. Er plädierte dafür, dieses auch bei den Kandidatenlisten für die nächsten Kommunalwahlen personell zu berücksichtigen. Unter Hinweis auf die demographische Lage in den Großstädten und Ballungszentren mit ihren wachsenden Zahlen an Einwandererfamilien warnte McAllister seine Partei  davor, andernfalls auf Dauer den Anschluß bei potentiellen Wählern zu verlieren und auf kommunaler Ebene gegenüber der SPD weiter ins Hintertreffen zu geraten.

Zu der eingeforderten Hinwendung zu sogenannten "weichen Themen" paßte das überschwengliche Lob, mit dem McAllister die aus seinem Landesverband stammende Bundesfamilienministerin von der Leyen bedachte, die wiederum in Berlin nicht gerade für konservative Politikvorstellungen steht.

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