© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

"Anlaß zu großer historischer Zuversicht"
17. Juni 1953: Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Opfer des Volksaufstandes in der DDR / Alexandra Hildebrandt fordert würdige Erinnerungsstätte
Ekkehard Schultz

Die Deutschen tun sich schwer mit ihrer Vergangenheit. Durch Hitler wurden sie um ihre historische Selbstachtung gebracht. Um so wichtiger ist es, an die Augenblicke in der deutschen Geschichte zu erinnern, welche ohne Zweifel positiv sind." Diese Worte des Zeithistorikers und Publizisten Arnulf Baring standen im Mittelpunkt einer gemeinsamen Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V. und des Museums Haus am Checkpoint Charlie, mit der am Montag am ehemaligen Haus der Ministerien der DDR und heutigem Bundesfinanzministerium in Berlin an den 17. Juni 1953 erinnert wurde.

Zu diesem Ort waren 55 Jahre zuvor Bauarbeiter von der damaligen Stalinallee in Ost-Berlin gezogen, um gegen Normenerhöhungen und weitere soziale Verschlechterungen zu demonstrieren. Diese Manifestation wurde zum Fanal für den Aufstand für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit am kommenden Tag. Über 1,5 Millionen Menschen in allen Teilen der DDR beteiligten sich daran.

Doch nicht nur an die historischen Ereignisse wurde auf der Veranstaltung  erinnert, an der 15 Zeitzeugen der historischen Ereignisse, mehrere Parlamentarier aus dem Berliner Abgeordnetenhaus sowie Gäste teilnahmen. Unter dem Motto "Ein sichtbares, aussagekräftiges Denkmal ist längst überfällig" sollte ein Zeichen für eine deutliche Veränderung am Gedenkort gesetzt werden. So erinnerte die Chefin des Museums am Checkpoint Charlie, Alexandra Hildebrandt, zu Beginn daran, daß das vor acht Jahren eingeweihte und in den Boden eingelassene Denkmal des Künstlers Wolfgang Rüppel am heutigen Bundesfinanzministerium praktisch "unsichtbar" sei und somit "in keiner Weise den Erwartungen an eine würdige Erinnerungsstätte entspricht".

Immer wieder müsse sie Fragen von Touristen beantworten, wo denn eigentlich im Juni 1953 der Volksaufstand seinen Ursprung nahm. Die heutige relief­artige Darstellung gebe darauf keinen konkreten Hinweis; zudem sei sie oft verschmutzt. Dagegen wurden die zum fünfzigsten Jahrestag der Ereignisse aufgehängten, von weither gut sichtbaren Großplakate auf Weisung des Bundesfinanzministeriums wieder entfernt, erinnerte Hildebrandt.  

Auch Werner Herbig, der 1953 an dem Volksaufstand in Berlin teilgenommen hat, betonte in seiner Rede, daß er "absolut nicht zufrieden mit dem jetzigen Zustand" sei. Trotz zahlreicher Eingaben und Klagen habe er das Gefühl, daß die Bundesregierung die Erinnerung an den 17. Juni lediglich "als ungeliebte Pflichtübung" begreife. Dabei sei an diesem Ort bereits am 16. Juni das historische Wort gefallen: "Ab heute wollen wir andere - freie - Menschen sein", ein zentrales Bekenntnis zur Demokratie.

Abschließend erinnerte Arnulf Baring daran, welcher Stellenwert tatsächlich den Ereignissen vor 55 Jahren zukomme. Gegenüber dem Aufstand der Menschen am 16. und 17. Juni 1953 "gegen einen diktatorischen Polizeistaat" müsse der Sturm auf die Bastille von 1789 als eine "Bagatelle" erscheinen. Daß nur acht Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und der anschließenden Errichtung einer neuen Diktatur in Deutschland eine solch mutige Erhebung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stattfand, sei Anlaß zu großer historischer Zuversicht. Ein solches Ereignis verdiene es, "angemessen gewürdigt und gefeiert zu werden". Es sei Zeit, "endlich die großen historischen Momente der deutschen Geschichte hervorzuheben" und sie "nicht länger hintanzustellen", sagte Baring.   

Foto: Gedenkstätte vor dem Finanzministerium: In der Kritik

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