© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

Zeitschriftenkritik: Chrismon
Symptome der Moderne
Werner Olles

Das evangelische Magazin Chrismon erscheint monatlich als Beilage in Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung, Schweriner Volkszeitung, Süddeutsche Zeitung und Der Tagesspiegel. Als Herausgeber fungieren die Landesbischöfe Johannes Friedrich, Wolfgang Huber, Margot Käßmann und der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe. Unter seinem Chefredakteur Arnd Brumme hat das Blatt einen zuverlässig linksliberalen Anstrich bekommen, den es auch konsequent durchhält.

Dennoch liest man manche Beiträge durchaus mit Gewinn. So beispielsweise in der aktuellen Ausgabe einen Text über die neue Massenkrankheit Borderline-Syndrom, die besonders unter Jugendlichen und jungen Menschen grassiert, die - aus welchen Gründen auch immer - partout nicht erwachsen werden wollen. Daher rührt dann auch die Bereitschaft, aus mangelnder Kenntnis der Symptome diese psychische Krankheit auf pubertäre Probleme zu reduzieren, was den Betroffenen jedoch nicht weiterhilft. Denn auf den ersten Blick wirken die Symptome des Borderline-Syndroms wie Angst vor dem Alleinsein, Wut, Sinnleere, Drogenkonsum oder Sex mit wechselnden Partnern in der modernen Gesellschaft fast "normal", doch bei den Borderlinern wird durch Übertreibung und Maßlosigkeit daraus eine echte Krankheit, die als "Instabile Persönlichkeitsstörung" die Hysterie, die andere große Prominente unter den psychischen Erkrankungen, längst abgelöst hat.

Über die Aufrüstung im Kinderzimmer und am Computer streiten ein evangelischer Pastor und ein Hirnforscher. Während der Gemeindepfarrer die "Übersensibilität einer bestimmten Generation von Eltern, Erziehern und Lehrern, die von der Friedenspädagogik seit den siebziger Jahren geprägt wurde", in dieser Hinsicht für wenig hilfreich hält und "eine friedliche Welt nur unter dem Vorzeichen des Reiches Gottes" für möglich hält, beharrt der Hirnforscher darauf, daß es keine "spielerische Gewalt" gibt, und lehnt auch die These eines "angeborenen menschlichen Aggressionspotentials" ab. Statt dessen müßten "neue Lernkulturen" erprobt werden, da Gewalt kein "individuelles", sondern immer ein "soziales Phänomen" sei. Vielleicht sollte man aber als Naturwissenschaftler auch einmal Erfahrungswerte berücksichtigen und sich die Menschheitsgeschichte vor Augen führen, selbst wenn dies die eigenen Illusionen über die angebliche Friedfertigkeit des Menschen zerstören könnte.

Über einen Besuch in der von Karl-Friedrich Schinkel erbauten Dorfkirche in Neuhardenberg am Rande einer Kabinettsklausur schreibt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Als "nicht religiöser Mensch" habe sie sich vor allem für das schöne Gebäude interessiert. Und wurde im Innenraum der Kirche sofort aufmerksam auf eine Gedenktafel für jene, die "für König und Vaterland" starben. Und weil sie halt nicht nur ein "nicht religiöser", sondern auch ein politisch korrekter Mensch ist, versäumt sie es dann natürlich nicht, eine "zeitgemäße Erläuterung dieser historischen Details" anzuregen.

Anschrift: Postfach 50 05 50, 60394 Frankfurt a.M.

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