© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

Im Bann der Faschismuskeule: Der kroatische Rock-Sänger Thompson
Gott, Vaterland, Familie
Alexander Rüstau

Wer in der letzten Woche die Fußball-EM-Berichte von Bild oder der Münchner tz zur Hand nahm, konnte Erstaunliches erfahren: Von einem "Kabinen-Skandal" bei den Kroaten war dort zu lesen. Trainer Slaven Bilić habe seiner Mannschaft "rechtsradikale Musik" des "Haß-Sängers" Thompson vorgespielt. Was war geschehen? Wer ist dieser Mann, der die politisch korrekten Gemüter so erhitzte? Bilić hatte seine Männer nach dem 1:0-Sieg über Österreich in der Kabine mit dem Lied "Lijepa li si" ("Wie schön du bist") beglücken wollen. Das Lied handelt von der Schönheit Kroatiens und gilt als inoffizielle Nationalhymne.

Marko Perković, der sich selbst "Thompson" nennt und das Lied geschrieben hat, ist ein Folkrock-Sänger, der erfolgreich den Dreiklang "Gott/Vaterland/Familie" bedient und mit seinen Liedern Hunderttausende Kroaten weltweit begeistert. Dabei ruft er zu positivem, konstruktivem Patriotismus sowie zur Achtung vor Gott auf, beschwört den familiären Zusammenhalt und füllt so mühelos Konzerthallen und Stadien.

Thompsons Konzerte haben Volksfestcharakter und vereinen Angehörige aller Generationen, die zu seiner Musik ausgelassen tanzen und jede Zeile lautstark mitsingen. Auf der Bühne schwenkt Perković die kroatische Fahne, im Programm wirken Männer in historischen kroatischen Uniformen sowie Folklore-Tanzgruppen in Volkstrachten.

Die 1991 erlangte Unabhängigkeit Kroatiens bezeichnet der 42jährige als "tausendjährigen Traum". Er mahnt seine Zuhörer, "Gott niemals zu verraten", und zeigt sich besorgt über das zunehmende Vergessen der Leiden der im Krieg Gefallenen sowie die um sich greifende Gleichgültigkeit: "Hey, müdes, ausgelaugtes Land, gibt es noch jemanden, der für Dich sterben würde?"

 Auch die Auslieferung des ehemaligen kroatischen Generals Ante Gotovina, dessen Truppen 1995 die noch serbisch besetzten Gebiete Kroatiens zurückeroberten, an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag prangert Perković an. Damit spricht er der Mehrheit der Kroaten aus der Seele, die die moralische Gleichstellung Gotovinas mit serbischen Kriegsverbrechern wie Radovan Karadžić und Ratko Mladić nicht hinnehmen will.

Perković selbst war während des Krieges an der Verteidigung seines Heimatdorfes Čavoglave beteiligt. Seine britische Maschinenpistole der Marke "Thompson" bescherte ihm seinen Künstlernamen.

Das extreme Ungleichgewicht dieses Verteidigungskrieges der jungen Republik gegen eine der damals modernsten Streitmächte Europas, die Jugoslawische Volksarmee, konnte von den Kroaten nur durch ein starkes nationales und religiöses Zusammengehörigkeitsgefühl sowie einen unerschütterlichen Siegesglauben kompensiert werden. Die Musik war dazu ein wesentliches Transportmedium. Seine Erlebnisse besingt Thompson in dem 1991 aufgenommenen Lied "Bataillon Čavoglave". "Für das Vaterland, Bruder, und für die Freiheit kämpfen wir!" heißt es da, und in Richtung der serbischen Aggressoren: "Ihr werdet Čavoglave nicht betreten, solange wir leben!"

Dieses noch heute zum Bühnenprogramm gehörende Lied, das im Vergleich zur französischen Nationalhymne wie ein Kinderlied klingt, ist für Perkovićs Kritiker aus dem linken politischen Lager im In- und Ausland ein Grund, ihn in die ultranationalistische und faschistische Ecke zu stellen. Dabei werden die von einzelnen Konzertbesuchern zur Schau gestellten faschistischen Ustaša-Symbole, die man dem Künstler ebenfalls zur Last legt, vornehmlich von Jugendlichen sozusagen als "Modekult" getragen, vergleichbar mit den Symbolen der Mussolini-Diktatur bei italienischen Gleichaltrigen, dem Tito-Kult in Slowenien oder dem auf der Welt allgegenwärtigen Konterfei des nicht gerade als "Friedensfürst" bekannten Che Guevara. Perković findet sich damit jedoch nicht ab, sondern appelliert vor den Konzerten regelmäßig an die Besucher, keine faschistischen oder kommunistischen Symbole zu zeigen.           

All dies sollte man berücksichtigen, bevor man den Musiker vorschnell auf der Grundlage von Behauptungen, nicht aber von Fakten, in die rechtsextremistische Ecke zu stellen versucht.

Dennoch hieß und heißt es oft: Thompson-Konzert abgesagt. Etwas vorschnell, wie sich schnell herausstellte. Viele Konzertverbote gegen Thompson im westlichen Europa wurden voreilig ausgesprochen und - wie in Frankfurt im Jahr 2004 und in Stuttgart am 21. Mai 2008 - nach ausführlicher Information und Aufklärung wieder aufgehoben. Nichtsdestotrotz scheint vielen deutschen Medien eine objektive und korrekte Bewertung des Phänomens Thompson nicht möglich. Fundiertere Kenntnisse der historischen, politischen und kulturellen Verhältnisse Kroatiens werden außer acht gelassen. Hängen bleibt die Verurteilung Perkovićs als "Haß-Sänger" und Rechtsextremist.

Fotos: Thompson-Konzert (Zagreb, Mai 2008): Ausgelassen feiern; Marko Perkovic ("Thompson"): "Für die Freiheit kämpfen wir!"

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen