© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/08 27. Juni 2008

Kolumne
Verfassungspatriotismus im Jahr 2008
Herbert Ammon

Das alte Thema Atheismus beschäftigt die Feuilletons, bayerische Grüne bekämpfen das Kruzifix. Statt Wiederkehr des Religiösen also verschärfte Religionskritik? Nein. Unberührt von alledem bleibt in der Berliner Republik die von Rousseau für sakrosankt erklärte religion civile. In der politischen Bildung wird der Begriff ungern verwendet. Lieber zitiert man Ernst-Wolfgang Böckenförde: Die säkulare Demokratie lebe von Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren könne. Leicht verkürzt: Demokraten müssen an das GG glauben, an Gender Mainstreaming und Richtlinien aus Brüssel. Nach dem Vorbild der founding fathers werden die "Väter und Mütter des Grundgesetzes" beschworen, auch wenn - anders als in den USA - deren Namen meist unbekannt sein dürften.

Zivilreligiöse Gleichgültigkeit? Wie dem Übel abhelfen, nachdem die Freude über die Wiedervereinigung verflogen ist? Was tun, wenn sich Deutschland auf dem Wege in die Multikonfliktgesellschaft, im Kulturkampf ums Kopftuch befindet? Als Straßenkämpfer historisch sensibilisiert, ersann Joschka Fischer für die Bundesrepublik den Gründungsmythos Auschwitz. Die totale Mobilmachung ("Kampf gegen Rechts") gegen Tendenzen, die selbstgerechte Zeit-Genossen zumindest mitzuverantworten haben, dient ähnlich frommen Zwecken.

Was also macht Bürger zu guten Verfassungspatrioten? Wie kommt die real noch existierende Nation, im PC-Curriculum auf zwölf schlimme Geschichtsjahre beschränkt, 1945/47 bis 1949 geteilt und 1989/90 auf reduziertem Territorium ("Deutschland einig Vaterland!") wieder vereint, im Bundesstaat EU zu mehr Staatsbejahung? Reicht der für heiratsfähige Migrantinnen konzipierte Einbürgerungstest? Integrationsminister Laschet (NRW): "Ich finde übrigens, diese Prüfung muß auch Fragen haben zur deutschen Geschichte, zum Holocaust und zur besonderen Verantwortung Deutschlands. Das ist ein Merkmal, das es nur hier gibt." Inhalt 2 plus, Ausdruck/Syntax 4 minus.

Der Zentralrat der Muslime begrüßt die Idee der Paukkurse (wiederholbar und gratis). Taq´ia (Verstellung) also nur noch bei Indigenen? Mit welcherlei Gefühlen sollen sie "Deutschland am Hindukusch" (Struck) verteidigen, wo sie, derzeit noch, als Deutsche willkommen sind? Diesen Sympathiefaktor betonte der jüngst in Kabul weilende UN-Emissär Tom Koenigs (Grüne). Das Ordensproblem für zu dekorierende Soldaten beschäftigt derzeit den Verteidigungsminister: EK III, mit Halbmond? Oder Sonnenblume mit taz-Pfote?

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.

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