© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/08 27. Juni 2008

Angela Marquardt. Die einstige PDS-Radikale macht heute in der SPD Karriere
Das ewige Mädchen
Doris Neujahr

Zur geheimen rot-roten Kungelrunde zwischen Vertretern von SPD und Linkspartei, die letzte Woche publik wurde, gehört auch die frühere PDS-Parteivize Angela Marquardt. Über zehn Jahre lang hatte das ewige Mädchen mit der bunten Stachelfrisur der Partei als jugendliches Aushängeschild gedient. 2003 kehrte Marquardt der - verspießerten und nationalistischen, so schimpfte sie - PDS den Rücken. Im März 2008 trat die mittlerweile 36jährige, die für SPD-Vize Andrea Nahles als Expertin für Rechtsextremismus arbeitet, der SPD bei - ohne, wie sie meint, "eine Überläuferin" zu sein.

Jetzt ist sie auf höherer Ebene in ihre alte Scharnier- und Brückenfunktion zurückgekehrt. Wie sie früher für die PDS den Kontakt zur Autonomen-Szene gehalten hatte, arbeitet sie nun an einer gemeinsamen Machtperspektive von SPD und Linkspartei im Bund. Ihre Blitzkarriere in der Politik, die gleich nach 1989 einsetzte, wirft noch immer Fragen auf. Man weiß, daß sie über die Berliner Hausbesetzerszene zur Ost-SPD und dann zur SED/PDS kam. Mit 19 saß sie im Parteivorstand, von 1998 bis 2002 im Bundestag, mit 23 wurde sie Stellvertreterin Gregor Gysis.

Mit 15 hatte sie eine Verpflichtungserklärung für die Stasi unterschrieben. Zu ihrer Verteidigung hieß es, daß sie eher Objekt als Subjekt gewesen sei. Ihre Mutter und ihr Stiefvater waren ebenfalls IM, Stasi-Mitarbeiter gingen bei der Familie ein und aus. Es ist daher nachvollziehbar, daß der Immunitätsausschuß ihre aktive Täterschaft verneinte. Andererseits war Marquardts Werdegang in der DDR alles andere als üblich. Interessanter als das Schuldproblem aus verflossenen Zeiten ist die Frage, ob es nicht gerade die durch ein sittlich prekäres Herkunftsmilieu empfangenen Prägungen und Konditionierungen sind, die sie zur politischen Karriere in der gesamtdeutschen Demokratie befähigen.

Nachdem sie 2002 aus dem Bundestag ausschied, schloß sie nach zehn Jahren endlich ihr Politologiestudium ab. Die Diplomarbeit schrieb sie über den Kampf gegen die NPD. Ein Verbot der Partei lehnt sie ab, stellt sie doch ihr Arbeitsfeld dar. Alle Versuche, außerhalb des Politikbetriebs beruflich Fuß zu fassen, scheiterten nämlich. Zugleich ist sie professioneller geworden. Fiel sie früher durch Sprüche auf wie: "Ich weine bestimmt nicht, wenn ein Fascho aufs Maul kriegt" oder durch ihre moralische Rechtfertigung für einen Brandanschlag auf die Druckerei der JUNGEN FREIHEIT im Jahr 1994, äußert sie sich heute mit der glatten Routine der Berufspolitikerin. Nichts spricht also dagegen, daß sie unter einem künftigen SPD-Innenminister Sebastian Edathy zur Parlamentarischen Staatssekretärin aufsteigt und die Zuständigkeit für antifaschistische und antirassistische Prävention und Repression erhält. Ihre persönliche Perspektive schätzt sie überaus realistisch ein: "Offensichtlich ist meine Resozialisierung nur über Parteistrukturen möglich." Daß damit die Asozialisierung des Politischen einhergeht, braucht sie freilich nicht zu kümmern.

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