© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/08 27. Juni 2008

Ausgedünnt
Studie I: Meinhard Miegel nimmt Armut unter die Lupe
Peter  Freitag

Eine steigende Zahl von Kindern, die in Armut leben, und der drohende Abstieg großer Teile der "Mittelschicht": Beide Phänomene tauchen in allen Berichten über die sozialen Zustände in Deutschland auf. Das Bonner Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) hat derlei Meldungen genauer analysiert und den häufig wiederholten Behauptungen einige Tatsachen gegenübergestellt.

Tatsächlich nahm laut Meinhard Miegel, der die Studie mit seinen Mitarbeitern erstellte, seit 1996 die Zahl mittlerer Einkommensbezieher (Personen mit einem "bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1.094 bis 2.344 Euro monatlich") um 5,5 Millionen ab, während die Zahl Einkommensschwacher um 4,1 Millionen stieg (bei einem Anstieg der Bevölkerung um 0,7 Millionen). Unter den Einkommensschwachen befinden sich 700.000 Kinder. Auf den ersten Blick erscheinen die Alarmmeldungen also gerechtfertigt.

Aber die Forscher haben tiefer geschürft und neben den sozio-ökonomischen auch die demographischen Ursachen aufgedeckt. Ihre Befunde sind keineswegs weniger besorgniserregend, aber sie erfordern vollkommen andere Schlußfolgerungen. Denn laut Studie hat sich im gleichen Zeitraum die deutschstämmige Bevölkerung um 2,8 Millionen vermindert, während die Bevölkerung "mit Migrationshintergrund" um 3,5 Millionen zugenommen hat. "Von diesen 3,5 Millionen befanden sich 2006 reichlich 2,9 Millionen, das sind 83 Prozent, in der Gruppe der Einkommensschwachen."

Die Zunahme Einkommensschwacher wurde nach den Erkenntnissen der Forscher zu knapp drei Vierteln durch Einwanderer bewirkt. "Der Anteil einkommensschwacher 'Migranten' lag 2006 bei 44 Prozent gegenüber 20 Prozent bei den Ansässigen." Auch das oft beschworene "Armutsrisiko Kinder" ist aus diesen Zusammenhängen statistisch erklärbar: Von den seit 1996 zugezogenen Einwanderern sind zwei Drittel Paare mit Kindern; diese Kinder stellen wiederum mit 82 Prozent die Mehrheit bei der im selben Zeitraum angewachsenen Zahl von Kindern in einkommensschwachen Haushalten.

Auch das meist von linken Politikern kritisierte zunehmende "Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich" hat eine bevölkerungspolitische Seite: Denn tatsächlich stieg die Zahl der Einkommensstarken um 2,1 Millionen, von denen etwas mehr als die Hälfte meist deutschstämmige Paare mit Kind(ern) und der Rest Ältere waren: "Die intensiv diskutierte Ausdünnung der Mittelschicht ist nur zum Teil auf den Abstieg von Bevölkerungsgruppen zurückzuführen. Bedeutsamer ist, daß die deutschstämmige Bevölkerung erheblich an Zahl abgenommen bzw. in die Gruppe der Einkommensstarken aufgestiegen ist, während die hinzukommenden Migranten in ihrer großen Mehrheit die Gruppe der Einkommensschwachen gestärkt haben."

Folgt man Miegels Ausführungen, so ist die bevölkerungspolitische Situation in Deutschland aus zwei Gründen besonders ungünstig: Erstens gebe es hier einen großen und weiter wachsenden Anteil an schlecht ausgebildeten und daher unproduktiven Einwanderern, zweitens seien hier die Transferleistungen so hoch, daß gerade diesen Gruppen ein dauerhafter Aufenthalt ermöglicht werde. Für diese verfehlte Politik macht die Studie neben der historischen ("Trauma nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik") auch eine ideologische Selbstblockade ("Multikultur versus 'Germanisierung'") verantwortlich.              

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen