© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/08 04. Juli 2008

Auf dem Weg in die Opposition
Brandenburg: Nach dem Abgang von Jörg Schönbohm als Landesvorsitzender reibt sich die CDU in internen Streitigkeiten auf
Ronald Gläser

Das Ende einer Politkarriere: Else Ackermann (CDU) hat dem ersten Bundestag nach der Wiedervereinigung angehört. Heute muß sie - politisch betrachtet - kleinere Brötchen backen. Die 74 Jahre alte Abgeordnete sitzt im Gemeinderat von Neuenhagen bei Berlin. Sie gehört auch nicht mehr der örtlichen CDU-Fraktion an. Weil die sie als Vorsitzende geschaßt hat, gründete sie mit einer Vertrauten eine eigene Fraktion. Postwendend revanchierte sich die Partei mit einem Ausschlußverfahren.

"Wir anderen CDU-Gemeinderatsmitglieder waren unzufrieden mit ihren Leistungen", schimpft Alfred Kuck, ein früherer Fraktionskollege Ackermanns. Kuck war CDU-Ortsvorsitzender in Neuenhagen und hat die Fraktionschefin gestürzt. Er sagt, Ackermann habe seiner Ortskasse Geld vorenthalten, das sie als Mandatsträgerin hätte abführen müssen. Seine Gegner behaupten, Kuck habe die Fraktionskasse nach der Ackermann-Demission illegal in die Parteikasse überführt. 

Dagegen formierte sich Widerstand in der Partei: Die JU von Neuenhagen verbündete sich mit Ackermann. Ihr Vorsitzender Billy Six (21) veranstaltete sogar eine Demonstration vor dem Haus von Alfred Kuck. Er und seine sieben Mitstreiter haben Pappschilder mitgebracht, auf denen "Frieden" und "Solidarität" zu lesen war. Kuck zeigte Six daraufhin wegen einer unangemeldeten Demonstration an. Die Staatsanwaltschaft ermittelte und erhob Anklage, obwohl es sich allenfalls um ein Minidelikt handelt.

Normalerweise endet so eine Anzeige oder ein Verfahren mit Freispruch oder Einstellung, wenn es überhaupt zur Anklageerhebung kommt. So war es auch jetzt im Fall Six. Aber die brandenburgische Justiz war tatsächlich ein Jahr mit dem Fall befaßt. Es kann festgehalten werden: In der CDU Neuenhagen fliegen gehörig die Fetzen.

Was sich in der 17.000-Einwohnerstadt im kleinen abspielt, wiederholt sich im ganzen Land. Im Landkreis Märkisch-Oderland etwa gab es in der jüngsten Vergangenheit spektakuläre Austritte. Besonders pikant: Vor einigen Wochen wechselte ein Dorfbürgermeister zur Linkspartei, was viel über die Charakter- und Prinzipientreue der örtlichen Unionschristen aussagt.

So wie in Märkisch-Oderland sieht es bei der ganzen Brandenburger CDU aus. Auf Landesebene bekämpfen sich zwei Lager, die einander unversöhnlich gegenüberstehen. Das eine wird angeführt von Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, der zugleich Vorsitzender der CDU Brandenburg ist. Das andere steht hinter Sven Petke, seinem Stellvertreter.

Beide Seiten lauern auf die nächste innerparteiliche Machtprobe, nachdem Pekte 2007 von Junghanns bei der Wahl des Nachfolgers des abgetretenen Landesvorsitzenden Jörg Schönbohm nur um zwei Stimmen übertroffen wurde. Derzeit wird unter anderem im Kreisverband Potsdam ein Stellvertreterkrieg ausgefochten: Dort will Petkes Ehefrau Katherina Reiche neue Vorsitzende werden. Das Junghanns-Lager schickt einen anderen Mann ins Rennen.

Kein CDU-Landesvorstand ist so zerrüttet wie der in Brandenburg. Ende Mai beispielsweise traf sich die Parteispitze. Dort verteilten Pekte-Leute ein "Strategiepapier", das vor allem eine Abrechnung mit den eigenen Ministern in der Großen Koalition in Potsdam darstellt. So heißt es unter anderem: "Die von der CDU verantworteten Ressorts werden zwar ordentlich verwaltet, setzen aber kaum politisch Akzente."

Diese Thesen sind eine einzige Ohrfeige für das Junghanns-Lager, aber leider haben es die Anhänger des Vorsitzenden versäumt, rechtzeitig einen Blick in das Schriftstück zu werfen. So mußten sie am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren, daß die CDU von neuem Streit aufgemischt wird.

Indiskretionen gehören zum Alltag eines Brandenburger CDU-Funktionärs. Nicht wenige halten die Partei mittlerweile für ein "Tollhaus". Auch die Bundespartei ist mittlerweile alarmiert und hat die Parteifreunde in Brandenburg mehrfach zur Ordnung gerufen. Generalsekretär Ronald Pofalla versuchte im Juni in Potsdam die Wogen zu glätten - ohne durchschlagenden Erfolg.

Im Herbst ist Kommunalwahl. Dann wird die CDU nach Lage der Dinge im Land weiter an Boden verlieren. Sie rangiert jetzt in Umfragen bei 21 Prozent, weit hinter SPD und Linkspartei (beide jeweils 30 Prozent). Für die Landtagswahl im Herbst kommenden Jahres zeichnet sich schon jetzt eine rot-rote Koalition ab. Der CDU bleibt dann der Gang in die Opposition.

Foto: CDU-Landeschef Ulrich Junghanns (l.), Vorgänger Jörg Schönbohm: Partei als "Tollhaus"

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