© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/08 04. Juli 2008

"Systemüberwindung" als Ziel
Jungsozialisten: Programmschrift plädiert für enge Zusammenarbeit mit Linkspartei
Peter Freitag

Unser Ziel bleibt der demokratische Sozialismus", heißt es unmißverständlich gleich auf der ersten Seite einer neuen Programmschrift, die der Bundesvorstand der Jungsozialisten im Juni  verabschiedete. "Für eine Linke der Zukunft" sind die 63 Thesen überschrieben, mit denen der SPD-Nachwuchs politische Duftmarken gegen die Tendenzen einer Entideologisierung der eigenen Partei setzen will.

"Jungsozialistische Politik trägt die Überzeugung, daß der Kapitalismus überwunden werden muß", schreibt der Bundesvorstand und ruft dafür zunächst einmal die klassischen linken Theorien auf: für eine "Demokratisierung der Wirtschaft", eine striktere Überwachung und Einschränkung der Finanzmärkte, "Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten", gegen weitere Privatisierungstendenzen und für die Wiedereinführung der Vermögensteuer.

Doch die Jusos, die sich selbst nicht bloß als Jugend-, sondern auch als "sozialistischen Richtungsverband" sehen, machen in ihren Thesen zugleich deutlich, daß man die von ihnen geforderte "soziale Gleichheit ... im Bestehenden nie erreichen" könne. Im Gegenteil hätten alle von der Sozialdemokratie mühsam erkämpften Mitbestimmungsrechte bisher nur dazu geführt, "die Akzeptanz des Systems für einen Großteil der Menschen" zu erreichen. Für die Sozialisten in der SPD sei jedoch klar, daß "wirkliche Solidarität, Gleichheit und Humanität erst auf der anderen Seite des Zauns auf uns wartet": eine schöne Metapher für das, was an anderer Stelle mit "Systemüberwindung" beschrieben wird. Ganz unverhohlen propagieren die Jusos, sie sähen es " als unsere Aufgabe, ... für eine andere gesellschaftliche Verfaßtheit zu kämpfen".

Ein fast gleichlautendes Bekenntnis - "Wir  stehen ein für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und stellen ihr unsere ... Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft entgegen." - legte auch der (studentische) Jugendverband der Linkspartei ab und fand damit unter der Rubrik "linksextreme Bestrebungen" Eingang in den aktuellen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Stellen die Jusos also eine Art "Scharnier" in der "Grauzone" zum organisierten Linksextremismus dar?

Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man liest, es sei das Ziel, "eine linke Politik mit einer linken Parlamentsmehrheit durchzusetzen", wobei zwar im Vordergrund stehe, "für eine stärkere SPD zu kämpfen, aber auch, ein linkes Zukunftsprojekt zu entwerfen".

Dazu werde man "sowohl mit den noch vorhandenen progressiven Kräften bei den Grünen als auch mit denen bei der Linkspartei eine inhaltliche Auseinandersetzung beginnen und ausloten, ob diese Parteien für ein solches Projekt bereit sind" - womit die zukünftige Weichenstellung in Richtung Rot-Rot­ (-Grün) klar ersichtlich ist. Schließlich dürfe dabei auch "die Kritik am Grundsätzlichen nicht aufgegeben" werden, außerdem seien bei der Suche nach "gesellschaftlichen Bündnispartnern" die "Scheuklappen" abzulegen.

Anders als mit der potentiellen Einbindung einer linksextremen Partei mit Diktatur-Vergangenheit in künftige Bündnisse scheinen die Jung-SPDler mit der vom Grundgesetz geschützten freiheitlich-demokratischen Grundordnung gewisse Schwierigkeiten zu haben; weil der "bürgerliche Rechtsstaat" letztlich auch eine "Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Kapitalismus" sei, bleibe für die Jusos "die Bedeutung des Staates daher stets ambivalent".

Alles andere als verfassungskonform ist auch das in These 41 enthaltene Bekenntnis: "Eine Privilegierung der Ehe durch das Recht lehnen wir ab", ein klarer Widerspruch zu Artikel 6 des Grundgesetzes. Doch die Jusos machen für die allgemeine Unterdrückung nicht nur Kapitalismus und Imperialismus verantwortlich, sondern auch den Fortbestand des Patriarchats. Dagegen setzen sie ihr feministisches Postulat: "Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden."

Selbstverständlich schreiben sich die Jungsozialisten auch den "Kampf gegen Rechts" auf die Fahnen: Das Potential des Rechtsextremismus in Deutschland sei nämlich "in der gesamten Gesellschaft" hoch, und so könne man ihm nur mit "Aufklärung und Förderung einer antifaschistischen Gegenkultur" beikommen. Wie in anderen Linksaußen-Publikationen wird auch hier larmoyant die vermeintliche "Kriminalisierung" beklagt, als seien Delikte wie Nötigung, Sachbeschädigung oder Körperverletzung eine zu vernachlässigende Größe, wenn nur die Motivation ("gegen Rechts") stimmt. "Kampf gegen Rechtsextremismus heißt vor allem, selbst aktiv zu werden. ... Wir empfinden es als Doppelmoral, wenn zum einen wie im Rahmen des Aufstand der Anständigen von offizieller Seite zum Kampf gegen Rechts aufgerufen wird und zum anderen diejenigen, die dann aktiv werden, Strafverfahren kassieren. Ein Ende der Kriminalisierung antifaschistischen Engagements ist für uns zwingend."

Insofern ist die von der JUNGEN FREIHEIT Ende vergangenen Jahres aufgedeckten schlagzeilenträchtige Mitgliedschaft von Juso-Chefin Franziska Drohsel in der linksextremen "Roten Hilfe" (JF  50/07) kein Ausrutscher, sondern logische Folge des hier nochmals bekräftigten Politikverständnisses der sozialdemokratischen Nachwuchsorganisation gewesen.

Nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT hat mittlerweile mindestens ein Landesinnenminister seinen Mitarbeiterstab mit der Auswertung des Thesenpapiers der Jungsozialisten beauftragt, wobei das Hauptaugenmerk auf die darin enthaltenen Forderungen nach "Systemüberwindung" gerichtet sein dürfte.

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