© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/08 04. Juli 2008

Infamie in Farbe
Politische Zeichenlehre LII: Die Farbe Gelb
Karlheinz Weissmann

Unlängst war in der FAZ die Rede von einer "gelben Hoffnung", womit man gewachsene Investitionschancen auf dem chinesischen Markt meinte. Eine deutliche Umkehrung dessen, was als Formel geläufig - um exakt zu sein: wieder geläufiger - ist: die Rede von der "gelben Gefahr", das heißt die Bedrohung durch die ökonomische, politische und militärische Machtentfaltung Chinas.

Das Schlagwort von der "gelben Gefahr" entstand schon am Ende des 19. Jahrhunderts in den USA und bezog sich ursprünglich auf die Verteidigung von white labour - der "weißen Arbeit" gegen die vermehrte Einwanderung armer Chinesen und anderer Asiaten, die das Lohnniveau drückten. In ähnlichem Sinn fürchtete der amerikanische Mittelstand den "gelben Schrecken" in Gestalt billiger Konkurrenz aus Fernost, dann in Gestalt des erwarteten Bevölkerungswachstums der "gelben Rasse". Die ersten schriftlichen Belege stammen aus dem Jahr 1895, behandelten die Formel aber bereits als feststehenden Begriff, was eine erhebliche Geläufigkeit voraussetzt. Schnell verbreitete sich der Slogan dann in Europa und stand bald für jedes Feindbild, das sich mit dem Fernen Osten verknüpfen ließ, etwa nach dem Ende des Russisch-Japanischen Krieges von 1905, dem ersten Triumph einer "farbigen" - "gelben" - Macht über eine "weiße".

Die Negativwertung der Farbe Gelb erreichte so an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine erstaunliche Intensität. Abschätzig war jedenfalls auch der Begriff yellow press ("gelbe Presse") für den Boulevardjournalismus gemeint, der seit 1896 nachweisbar ist, aber in keinem Zusammenhang mit der "gelben Gefahr" stand. Er verdankte seine Entstehung einem Zufall: dem Streit zweier New Yorker Massenblätter um eine gelb gezeichnete Witzfigur yellow kid. Bereits kurz darauf war dieser Ursprung vergessen und der Begriff eingeführt, so daß man ihn selbstverständlich für die unseriöse Berichterstattung chauvinistischer Zeitungen während des Spanisch-Amerikanischen Krieges verwendete.

Als Ausnahme von der Regel negativer Konnotation könnte allerdings der Name wirtschaftsfriedlicher Gewerkschaften betrachtet werden, denn 1902 wurde eine in Frankreich eine relativ mitgliederstarke Arbeiterorganisation gegründet, die sich Fédération Nationale des Jaunes de France ("Nationaler Verband der Gelben Frankreichs") nannte. Wahrscheinlich ging es aber nur um den trotzigen Versuch einer Umdeutung, der letztlich ohne Erfolg blieb. Nach dem Ersten Weltkrieg nannte die radikale Linke alle Anhänger der gemäßigten "Gelbe", und die Behauptung einer "gelben" Gesinnung wurde immer als Vorwurf des Verrats an der Sache des Proletariats betrachtet.

Im Hintergrund stand dabei, daß Gelb im Abendland seit alters die Farbe des Judas war. Die gelbe Markierung von Personen, die als unehrenhaft betrachtet wurden - Juden ("Judenring") oder Prostituierte etwa - war seit dem 13. Jahrhundert verbreitet, und die Einführung entsprechender Kennzeichen im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich (der gelbe "Judenstern" ebenso wie der gelbe "Polenstern", eine Raute mit schwarzem "P" in der Mitte) folgte ganz bewußt diesem Muster.

Diese durchgängig negative Beurteilung von Gelb ist allerdings nicht naturgegeben. Sie hat sich im 20. Jahrhundert auch weitgehend verloren, wegen der hervorragenden Signalwirkung und Werbewirksamkeit der Farbe (daher das "gelbe Trikot" der Tour de France, die gelben Fahrzeuge der deutschen und der schweizerischen Post sowie - bezeichnenderweise - der französischen Autofirma Citroen).

Die Antike hatte sie auch noch nicht gekannt, die Römer etwa legten gelb gefärbte Gewänder nur bei sakralen Handlungen und Hochzeiten an, und in Ostasien behielt es immer eine hohe Wertschätzung. In China galt es lange als dem Kaiser vorbehalten und wird in der Folklore bis heute mit Macht, Reichtum und Weisheit gleichgesetzt. Diese Assoziation hat damit zu tun, daß Chinesen Gelb und Gold identifizieren. Dagegen versuchte man in Europa beides voneinander schärfer zu trennen, als das praktisch möglich war, und stellte neben das Gelb als Farbe der Infamie das Gold als edelste Farbe des Herrschertums. Das schuf eine Reihe von Differenzierungsproblemen für die Abbildung, sogar noch bei der sachgerechten Darstellung der deutschen Nationalfarben: Im Gegensatz zu "Schwarz-Rot-Gold" hat "Schwarz-Rot-Gelb" immer einen leicht abschätzigen Beigeschmack.

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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