© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/08 04. Juli 2008

Mit himmlischem Segen
Musical "Maria von Nazareth": Nach der Premiere im Vatikan auf Europatournee
Paola Bernardi

Der große Jubel in der gewaltigen Aula Paolo VI. im Vatikan galt diesmal nicht der schmalen weißgekleideten Gestalt des deutschen Papstes Benedikt XVI. bei der wöchentlichen Audienz, sondern zum ersten Mal wurde hier ein Musical uraufgeführt: "Maria von Nazareth: Eine Geschichte, die weitergeht". Das Stück über die Muttergottes hatte die Förderung des Vatikans gefunden - die Schirmherrschaft übernahmen die Päpstlichen Räte für Medien und Kultur -, man sah zahlreiche hohe Geistliche aus der Kurie, viel Prominenz, und auch das Diplomatenkorps war vollzählig erschienen. Mit rund 10.000 Besuchern war die Audienz-Aula bis auf den letzten Platz gefüllt, und die Schweizer Garde stand Wache an den Ausgängen. Man sei froh, ein Werk unterstützen zu können, in der die Hauptdarstellerin Maria "ihren Sohn den Menschen auch heute noch nahe bringt", so gerührt Erzbischof Celli, Präsident des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel.

Wochenlang war das Ereignis im voraus bejubelt worden, und tatsächlich feierte dann ein stehendes Publikum mit rhythmischem Klatschen und Bravo-Rufen die Sänger, Schauspieler, Tänzer und das Orchester des kalabresischen Theaters "Francesco Cilea" am Schluß dieser Premiere. Anschließend lobte Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone - die Nummer zwei im Vatikan - die Aufführung als "brillant". Dieses Musical sei ein "wundervolles Schauspiel". 

Das Stück spannt einen weiten Bogen von der Kindheit Marias über den Tod Jesu bis zu dessen Auferstehung. Die Liedtexte entstanden in Anlehnung an die Evangelien und in Zusammenarbeit mit dem Mariologen Stefano de Fiores. Das Schwergewicht liegt auf der Lebensschilderung Marias, auf der Herkunft der Muttergottes - dargestellt von der Sopranistin Alma Manera -, die aus einer gläubigen jüdischen Familie stammt. In über drei Stunden werden Bilder, Szenen aus der Bibel aneinandergereiht und Marias jüdisches Alltagsleben in Nazareth ausgebreitet: ihre Jugend, ihre Begegnung mit dem späteren Ehemann Josef. Dieser beschützt Maria vor den Zudringlichkeiten des Waffenhändlers Barabbas. Diese erfundene Episode soll auch die Versuchungen durch das Böse verkörpern, denen sie ausgesetzt war, so die Regisseurin Maria Pia Liotta.

Ein wenig ungewöhnlich gegenüber der testamentarischen Vorlage ist auch, daß der Erzengel Gabriel in diesem Musical erst nach der Hochzeit Marias erscheint. Er verkündet ihre Erwählung als Gottesmutter mit einem Tanz, ohne Worte. Überhaupt, die Tänzer in diesem Stück: Sie gehen mit ihrer Körpersprache fast bis hin zur Akrobatik. Durch die Inszenierung führen Engel und Teufel, die das Geschehen zwischen Gut und Böse verkörpern. Der Tod Jesu am Kreuz wird als kurzzeitiger Triumph des Bösen interpretiert. Doch am Schluß muß der  Teufel vor dem Auferstandenen weichen, "ein Ausdruck der beständigen Hoffnung auf den endgültigen Sieg des Guten", wie Kardinal Bertone sagte.

Unter der musikalischen Leitung des routinierten italienischen Komponisten Stelvio Cipriani entstanden die Lieder dieses Musicals. Der inzwischen 70jährige zählt zu den führenden Filmkomponisten Italiens, der für zahlreiche Hollywood-Filme und Italo-Western die Musik geschrieben hat. Kein Wunder, wenn viele Songs schon bei der Uraufführung als Ohrwürmer mitgesummt wurden. Das Orchester, das mit viel Blechinstrumenten besetzt war, riß den frömmelnden Grauschleier über Marias Geschichte hinweg. Heraus kam ein Volksstück - bitter und dennoch hoffnungsvoll. Es steckt voller Leben und Tragik. Die große göttliche Geschichte wird einfach wieder erzählt, wird gesungen und getanzt. Nichts Respektloses stört, das Stück atmet und pulst. Alma Manera singt und spielt die Titelrolle von der ersten Szene an mit großer Entschiedenheit und Gefühlsklarheit, die alle Kitsch-Klippen sicher umschifft. Gerührt lauscht man dem Song von Maria: "Lo sa il vento. Lo sa la luce del mattino". Der Bühnen-Himmel färbt sich rot, das Orchester schmettert, und alle sind zufrieden.

Von Rom aus nimmt nun dieses Musical seine Tournee um die Welt; beginnend in Europa und später nach Lateinamerika. Es wird sicher ein Erfolg wie seinerzeit "Jesus Christ Superstar", denn den himmlischen Segen hat das Stück ja schon.

Foto: Alma Manera: Die Darstellerin der Muttergottes in dem Musical "Maria von Nazareth" ist die Tochter von Regisseurin und Drehbuchautorin Maria Pia Lotta. Die gebürtige Römerin studierte Gesang, Tanz und Schauspiel. Sie reüssierte bei verschiedenen Opernwettbewerben und trat in Radio- und Fernsehproduktionen auf. Zu ihrer Maria-Darstellung sagte sie der katholischen Nachrichtenagentur Zenit: "Es gibt viele Emotionen, die das Stück durchziehen. Alles ist rein, ist Poesie, die durch Choreographie in Gesten, Worte und Musik umgesetzt wird. Einfach ausgedrückt: Man muß einer tiefgründigen Intuition, einer Inspiration folgen."  

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen