© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/08 11. Juli 2008

Der ewige Antisemitismus
Allzu pauschale Anwürfe
Heinz Fröhlich

Judensterne" kannte bereits das Mittelalter, und fast wörtlich kopierten die Nationalsozialisten alte Konzilsbeschlüsse, sofern sie Juden betrafen. Der Wiener Historiker Klaus Lohrmann betrachtet historische Ursprünge des Antisemitismus und die "tief verwurzelten" christlichen Ressentiments gegen die eng verwandte Religion. Schon Paulus haßte und verfluchte Juden, weil sie den Messias ablehnten. Einst bevorzugte Gott das jüdische Volk, schrieb Augustin, doch nun liebe er die "Christengruppe", der jene "Gottesmörder" zu dienen hätten. Oft wurden Juden beschuldigt, Christen auszubeuten. Innozenz III. tadelte nicht nur die "Perfidia", Christus zu leugnen, sondern warf jüdischen Geldverleihern vor, "Wucherzinsen" zu erheben.

Unter mancher Tiara rumorte gar der Genozidgedanke, behauptet der 1949 geborene Mediävist. Obwohl die Existenz der Juden die Christen mahne, göttliche Gesetze zu beachten, gehörten häufige Judenpogrome "zum Alltag". Am heftigsten verfolgten die Inquisitionstribunale getaufte Juden; etliche sahen im "Judentum" eben auch ein Volk. In der Frühen Neuzeit endete der Wahn keineswegs. Papst Paul IV., der 1569 die Juden zwang, den Kirchenstaat zu verlassen, ließ Synagogen zerstören, untersagte freundschaftliche Kontakte zwischen Juden und Christen, verbot jüdischen Ärzten, Christen medizinischen Beistand zu leisten. Juden sollten ein "Zeichen" tragen.

Unermüdlich verdammten Päpste auch bis in die nahe Vergangenheit die "Blindheit" der Rivalen. Im offiziellen "Lexikon für Theologie und Kirche" von 1930 hieß es: "Nach der Verstoßung des Messias durch sein eigenes Volk bemerken wir beim jüdischen Volk eine beständige Feindschaft gegenüber dem Christentum." Nicht bloß eine Konfession geißelte der jesuitische Autor, sondern das gesamte "Volk"! Das "Dritte Reich" verwandelte laut Lohrmann demnach mittelalterliches Denken nur noch in einen pseudomodernen Biologismus. Es passe daher ins Bild, daß Pius XII. öffentlich zur Judenverfolgung schwieg. Erst der vorletzte Papst, Johannes Paul II., verurteilte diese judenfeindliche Haltungen.

Lohrmann hält die Behauptung, daß der Antijudaismus christlichen Dogmen widerspreche, für nicht plausibel. Jede "religiöse Heilslehre" müsse sich absolut setzen, oder sie gefährdet ihre eigene Basis. Der Antisemitismus, notiert Lohrmann, käme somit aus "den Grundlagen der europäisch-christlichen Kultur".

Klaus Lohrmann: Die Päpste und die Juden. 2000 Jahre zwischen Verfolgung und Versöhnung, Patmos Verlag, Düsseldorf 2008, gebunden, 310 Seiten, 24,90  Euro

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