© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/08 11. Juli 2008

Frisch gepresst

Oldenbourg Verlag. Vor 150 Jahren, als in Preußen die "Reaktionszeit" zu Ende ging und das Bürgertum nach dem Fiasko von 1848 auf die "Neue Ära" hoffte, kam es zu einer Welle von Verlagsgründungen, die einen neuen Schub für den "Strukturwandel der Öffentlichkeit" (Jürgen Habermas) bewirkten. Unter denen, die damals unternehmerischen Wagemut bewiesen, war der aus Leipzig nach München zugewanderte Rudolf Oldenbourg (1811-1903), der am 21. Juli 1858 im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel sein erstes Erzeugnis annoncierte, das Journal für Gasbeleuchtung und verwandte Beleuchtungsarten. Mit Publikationen dieses Schwerpunkts Technik und Naturwissenschaften hat Oldenbourg Geld verdient, aber seinen Ruf in der deutschen Verlagslandschaft hat er mit der "zweiten Säule" seines Unternehmens begründet, der bis heute erscheinenden Historischen Zeitschrift und dem sich anlagernden historisch-geisteswissenschaftlichen Programm. Wie sich dies seit 1858 prächtig entwickelte, stellt der in München Sozialgeschichte der Literatur lehrende Germanist Reinhard Wittmann in einem, mit Tony Buddenbrook zu sprechen, überaus "vornehm" ausgestatteten Band dar. Zu den schönsten Fundstücken dieser Verlagsgeschichte zählt, wie Cheflektor Manfred Schröter 1927 das Manuskript eines gewissen "Rosenberger" ablehnt. Der "zweifellos jüdische Verfasser" tummle sich "richtungslos in einem wahren Chaos von Kulturfragen". Es sei ihm daher anzuraten, freilich "unter anderemNamen!", sein "Mythus des 20. Jahrhunderts" betiteltes Opus dem judenfeindlichen Verlag von Julius F. Lehmann anzubieten. Schade nur, daß Wittmann die Pointe etwas entwertet, wenn er hinzufügt, Alfred Rosenbergs 1930 veröffentlichter "Mythus" habe erst 1934 einen Verleger gefunden (Wissen für die Zukunft. 150 Jahre Oldenbourg Verlag. R. Oldenbourg Verlag, München 2008, gebunden, 383 Seiten, Abbildungen, 64 Euro).

 

Verschwörungen. Im Jahre 2002 veröffentlichte Johannes Rogalla von Bieberstein im Antaios-Verlag sein vielbeachtetes Buch "'Jüdischer Bolschewismus'. Mythos und Realität", das mittlerweile vergriffen ist. Der ehemalige Bibliotheksdirektor an der Universität Bielefeld hatte sich jedoch lange zuvor mit Theorien beschäftigt, die oftmals mehr Ausdruck der Verunsicherung der Zeitgenossen auf gesellschaftliche Umbrüche sind, als daß sie auf Tatsachen fußen. Seine zuletzt 1992 erschienene Arbeit über "Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und Sozialisten als Verschwörer gegen die Sozialordnung", die sich primär den Theorien um die politischen Verwerfungen gegen "Thron und Altar" nach 1789 widmet, wurde nun überarbeitet und um Beiträge aus "Jüdischer Bolschewismus" ergänzt (Der Mythos von der Verschwörung. Marix Verlag, Wiesbaden 2008, gebunden, 371 Seiten, 9,95 Euro).

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen