© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/08 18. Juli 2008

Schurke in Washington, Star in Paris
EU-Mittelmeer-Union: Hauptattraktion war der Auftritt des syrischen Präsidenten Assad / Wenig Konkretes
Günther Deschner

Was aus Nicolas Sarkozys politischem "Club Méditerranée", in den Angela Merkel die EU mit hineingezogen hat, auch werden mag: Einem hat er schon jetzt genützt: Syriens Staatschef Bashar al-Assad. Im Westen bis vor einer Woche noch als Paria geächtet, wurde der 43jährige in Paris auf die Bühne der Weltpolitik katapultiert: "Ein neuer Stern wurde geboren", titelte die Tel Aviver Haaretz.

Sarkozy verblüffte am Wochenende mit Gunstbeweisen für Assad. Nicht nur, daß er den Syrer als einen von 43 Staats- und Regierungschefs zur Gründung der Union für das Mittelmeer nach Paris einlud. Er empfing seinen Amtkollegen im Élysée-Palast und ließ ihn am 14. Juli auf der Tribüne an den Champs-Élysées neben sich plazieren und die Truppenparade mit abnehmen.

Die demonstrative Rehabilitierung Assads unterstreicht den realpolitischen Pragmatismus der französischen Politik. Sarkozy reichte einem Geächteten die Hand - nicht ohne Gegenleistung natürlich. Assad hat sich seinerseits mit der Ankündigung bedankt, Syrien wolle mit dem Libanon volle diplomatische Beziehungen aufnehmen und so bald wie möglich auch Botschafter austauschen - zum ersten Mal seit der Entlassung der beiden Staaten in die Unabhängigkeit (1943 und 1946).

Sarkozy hat sich als Präsident eines Landes, das keine Großmacht mehr ist, aber mit seinen Eliten noch so denkt, mit seiner Einladung an Assad als eigenständiger außenpolitischer Akteur gezeigt. In Frankreichs zutreffender Wahrnehmung hat Syrien in den vergangenen zwei Monaten etwas ermöglicht, an dem Paris gelegen war: die problemlose Wahl eines libanesischen Präsidenten nach einem langen Vakuum (JF 27/08). Frankreich - die einstige Mandatsmacht - hatte ernsthafte Besorgnis über dessen Entwicklung gezeigt, anders als Wa­shington, dem der Zedernstaat bestenfalls als Baustein für andere Nahostpläne diente.

Umgekehrt hatte Sarkozy die beschädigte Glaubwürdigkeit Frankreichs auch in den Augen der Libanesen wiederhergestellt - sogar bei den Schiiten -, weil er Pariser Diplomaten mit allen politischen Gruppen sprechen ließ, einschließlich der Hisbollah. "La France" kehrt politisch, kulturell und wirtschaftlich wieder nach Libanon und Syrien zurück.

Ein unmittelbares Ergebnis des neuen Rapprochements ist der Auftrag an einen französischen Konzern zum Bau von zwei Zementfabriken in Syrien für 1,2 Milliarden Dollar. Mit einem anderen französischen Firmenkonsortium wird über die Lizenz zum Bau einer U-Bahn in Damaskus verhandelt. Und Air Syria will ihre veralteten Boeing-Jets, für die Syrien wegen der US-Sanktionen keine Ersatzteile mehr kaufen kann, durch moderne Airbus-Flugzeuge ersetzen.

Auch aus syrischer Perspektive liegen die Vorteile der veränderten Haltung Frankreichs auf der Hand: Assad konnte sich erlauben, alle antisyrischen Kandidaten für das Amt des libanesischen Präsidenten kaltzustellen und damit die Wahl Michel Suleimans zu ermöglichen, eines Mannes, den sowohl Damaskus als auch die Hisbollah als Freund und Partner betrachten, der den Widerstand gegen Israel unterstützt, eine gewaltsame Entwaffnung der Hisbollah nicht dulden wird und weder bei Amerikanern noch Saudis auf der Gehaltsliste steht.

Assad hat den diplomatischen Durchbruch noch in Paris genutzt, zu schwelenden Fragen Stellung zu nehmen. Ein Frieden mit Israel? "So nahe wie nie", allerdings könne "nichts über Nacht" geschehen und jedenfalls erst nach den US-Wahlen, "wenn auch Wa­shington eine veränderte Politik möglich wird". Der Atomstreit mit dem Iran? Teheran sei ein souveräner Partner, doch werde Syrien "seine guten Beziehungen zum Iran nutzen", um zu vermitteln. Ein Angriff auf den Iran hätte aber "schwerwiegende Folgen für die ganze Welt". Angesichts solcher Fragestellungen wirkt ein Passus der Abschlußerklärung geradezu sibyllinisch: "Die Parteien werden sich um die Schaffung eines Nahen Ostens frei von Massenvernichtungswaffen bemühen, ob nuklear, chemisch oder biologisch", heißt es dort. Auch die Atommacht Is-rael hat die Erklärung unterzeichnet.

Foto: Assad in Paris: Naher Osten frei von Massenvernichtungswaffen?

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