© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/08 18. Juli 2008

Frisch gepresst

Nationalsozialismus. Der Wiener Sozialhistoriker Kurt Bauer widmet seine vornehmlich ans studentische Publikum adressierte Darstellung des "Nationalsozialismus" (Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall. Böhlau Verlag, Wien 2008, gebunden, 616 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro) dem Attentäter Johann Georg Elser, der am 8. November 1939 mit seiner Bombe eine große Zahl von Menschen tötete, sein eigentliches Zielobjekt allerdings verfehlte. Mit dieser Widmung sowie einer Entschuldigung für die "durchgängige Verwendung des generischen Maskulinums", die "in keiner Weise dem Fortbestand der männlichen Hegemonie in unserer Gesellschaft Vorschub leisten soll", läßt Bauer den Leser bereits ahnen, wohin die Reise geht. Unter den zahlreichen Kompendien zur NS-Geschichte darf Bauer daher neben dem volkspädagogischen Pamphlet Ernst Pipers (JF 10/08) eher im Souterrain Platz nehmen. Für die unbekümmerte, Differenzierungen zeithistorischer Forschung mißachtende Komposition des Stoffes sei exemplarisch nur auf die Einlassungen zum Krieg gegen die Sowjetunion verwiesen. Gestützt allein auf einschlägige Geschichtspolitiker wie Wolfram Wette und Gerd Ueberschär, fertigt Bauer die zuletzt durch Bogdan Musials Studie (JF 17/08) und Magenheimer (JF 26/08) erneut zur Diskussion gestellte "Präventivkriegsthese" plump als "Repertoirestück rechtsextremer und nationalkonservativ-apologetischer Geschichtsumdeutung" ab, da es 1941 doch höchstens "Planspiele des sowjetischen Generalstabs" gegeben und der friedliebende Stalin den Deutschen bis zuletzt "Getreide und Rohstoffe" geliefert habe.

Marinegeschichte. Den Vorwurf, eine distanzierte oder skeptische Haltung zur deutschen Marine zu haben, muß sich der Militärhistoriker und Chefredakteur einer einschlägigen Fachzeitschrift (Militär & Geschichte), Guntram Schulze-Wegener, nicht vorhalten lassen. Zumindest bietet der nun vorgelegte Prachtband, in dem der Fregattenkapitän d.R. die Geschichte der deutschen Marine von 1848 bis heute darlegt, keinen Anhalt dazu. Reich ausgestattet mit Illustrationen und Bildmaterial umschifft das Werk im Großformat keine historisch heiklen Untiefen, auf die die unter insgesamt neun Flaggen fahrenden deutschen Seestreitkräfte unweigerlich zurückblicken müssen. Das bei vergleichbaren Werken an diesen Stellen dazugehörende Moralisieren aus wohlfeiler Perspektive erspart das Werk dem Leser erfreulicherweise. Leider blendet Schulze-Wegener die nur schwer national zuordbare militärische Seefahrt vor 1848 weitestgehend aus (Deutschland zur See. Illustrierte Marinegeschichte von den Anfängen bis heute. Verlag Mittler & Söhne, Hamburg 2008, gebunden, 254 Seiten, 29,90 Euro).

NS-Frühgeschichte. Die 1920 gegründete NSDAP war anfangs eine bayerische Regionalpartei. Daß sie in Westdeutschland, genauer an Rhein und Ruhr, früh einen Schwerpunkt jenseits des Weißwurstäquators aufbaute, war das Verdienst der Strasser-Brüder, von Karl Kaufmann, Robert Ley, Josef Terboven, Joseph Goebbels und Erich Koch. Die Geschichte dieses "linken Flügels" der "Bewegung" ist in den letzten vierzig Jahren hinreichend aufgearbeitet worden. Trotzdem, das Gros dieser Forschungen ignorierend, widmet sich Wolfgang Frenz noch einmal dem Thema: "Elberfeld - das Mekka des nationalen Sozialismus" ("Die Straße frei ..." Ein Beitrag zur Frühgeschichte der NSDAP. Druffel & Vowinckel Verlag, Stegen/Ammersee 2008, broschiert, 199 Seiten, Abbildungen, 18 Euro). Um das Niveau seiner mit zahllosen Falschangaben durchsetzten Arbeit zu kennzeichnen, genügen zwei Hinweise auf die Darstellung des bei Frenz im Mittelpunkt stehenden Erich Koch, seit 1928 Gauleiter in Ostpreußen. Wegen Nepotismus und Korruption wurde Koch 1935 kurzzeitig abgesetzt. Frenz argumentiert, daß an den Vorwürfen wohl nichts dran gewesen sein könne, da ihn Hitler sonst nicht rehabilitiert hätte! Die maßgebliche Beteiligung des "Reichskommissars" an der Ausplünderung und Terrorisierung der Ukrainer bestreitet Frenz ebenso dummdreist mit Einlassungen Kochs und seiner als Zeugen mindestens ebenso "befangenen" Helfershelfer. Hätten die deutschen Besatzer nicht nur "Aufbauhilfe" geleistet? Ralf Meindls maßgebliche Koch-Biographie (JF 47/07) taucht im Literaturverzeichnis so wenig auf wie Karel C. Berkhoffs "Harvest of Despair. Life and Death in the Ukraine under Nazi Rule" (2004) oder Christian Rohrers "Nationalsozialistische Macht in Ostpreußen" (2006). Es ist daher von diesem Machwerk abzuraten.

Irland-Reisebegleiter. Anders als uns die veröffentlichte Meinung weismachen will, hat die EU dem irischen "Nein" bei der Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag viel zu verdanken, und wer möchte, kann dieses Geschenk der Iren an die Völker Europas in eine Reihe stellen mit dem jahrhundertelangen Kampf dieser selbstbewußten Nation gegen Unterdrückung und Fremdbestimmung. Über dieses patriotische Freiheitsstreben besonders im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts informiert sachkundig der Irland-Kenner Detlev Rose in einer zwar schmalen, aber gehaltvollen Broschüre (Krieger, Dichter, Freiheitskämpfer. Kleiner Irland-Reisebegleiter, Nation Europa Verlag, Coburg 2007, kartoniert, 82 Seiten, zahlreiche s/w-Abbildungen, 5 Euro), deren zweiter Teil der Vorstellung von mehr als zwanzig Plätzen im Südwesten der Grünen Insel gewidmet ist.

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