© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

Der eurasische Dollar
Finanzwelt: Noch ist der Rubel keine Weltwährung - er könnte es aber werden / Vertrauen in stabile Rechtsordnung fehlt
Wilhelm Hankel

Bescheiden gibt sich Dmitri Anatoljewitsch Medwedew nicht. Schon bei mehreren Gelegenheiten machte der russische Präsident deutlich, daß das - dank steigender Erdöl- und Gas­einnahmen - gewachsene ökonomische Gewicht seines Landes auch die Rolle seiner Währung stärke. Medwedew sieht daher den Rubel schon als Nachfolger und Erben des US-Dollars und potentiellen Rivalen des Euro - sprich als eine künftige Weltwährung. Die Pläne für die Rubel-Krönung lägen bereits ausgearbeitet in der Schublade.

Als ob es bei der Etablierung einer Weltwährung auf solche "Pläne" ankäme. Der Konkursverwalter der gescheiterten sowjetischen Zentralverwaltungswirtschaft müßte es wissen. Seine Fachleute sollten ihm klar machen, daß die Funktionen einer Weltwährung (egal ob Privileg oder Bürde) weder übernommen noch beansprucht werden können.

Sie bilden sich im Markt heraus - durch Usance und Konvention der Währungsbenutzer, wobei so unpolitische Faktoren, wie Bekanntheitsgrad der Währung, die Rechtssicherheit im Heimatland, das geringe Schwankungsrisiko im Abrechnungsverkehr sowie die Güte und Dichte der finanziellen Infrastruktur (Verbreitung und Effizienz des verfügbaren Banknetzes, das Vertrauen in die Kompetenz des Serviceangebots und nicht zuletzt die dafür zu entrichtenden Kosten) den Ausschlag geben.

Die Weltwirtschaft ist älter als ihre neumodische Etikettierung als "Globalisierung". Sie hat seit den Phöniziern viele Weltwährungen verschlissen. Das waren vor dem US-Dollar über 300 Jahre das britische Pfund Sterling, der holländische Gulden, die spanische Dublone und in der Antike Alexanders Silber-Drachmen und Caesars Gold-Denare. Auch die Währungen von Ministaaten wie die Gold-Dukaten Genuas oder Venedigs glänzten lange Zeit in dieser Rolle, ebenso wie seit über einem Jahrhundert eine "Sichere Hafen"-Währung wie der Schweizer Franken.

Nur: Ihnen allen war und ist gemeinsam, daß ihre Regierungen die Bewertung ihrer Währung jenseits der Landesgrenzen dem Markt und seinen Akteuren überließen und sich davor hüteten, aus ihrem internationalen Status Ansprüche oder Rechte herzuleiten. Im Grunde vermag die Politik nur eines: die Auslandsbenutzer der Währung davon zu überzeugen, daß sie diesen Prozeß der externen Marktbewertung und monetären Vertrauensbildung nicht stört. Daß sie nicht gewillt ist, in die Rechte und Geschäfte der ausländischen Anleger, Investoren und Finanziers einzugreifen, und wenn, dann nur im strengen Rahmen einer international (oder "global") akzeptierten Geldordnung.

Das britische Pfund verlor seine Weltstellung, als es den internationalen Goldstandard verließ. Dem immer mehr an Innen- wie Außenwert verlierenden Dollar droht das gleiche Schicksal, seit die US-Geld- und Finanzpolitik nicht mehr den Mindestregeln (und Maßstäben) der international geforderten Währungsdisziplin genügt (kontrollierte Verschuldung, internationale Zinssätze).

Und der Euro? Er profitiert von der scheinbaren Einflußlosigkeit seiner (derzeit) 15 Regierungen auf das Geschäft der Europäischen Zentralbank (EZB). Doch gerade dieser Schein trügt. Der nationale Egoismus der 15 Euro-Staaten macht schon heute die Gemeinschaftswährung inflationsanfälliger, als mit seiner Weltstellung vereinbar ist. Wie erst, wenn alle 27 ungleichen EU-Partner im gleichen Boot sitzen!

Gemessen an diesen Erfahrungen mit internationalen Leitwährungen hat der Rubel - noch - sehr schlechte Karten. Sein Heimatland bietet ausländischen Investoren weder genügend Rechtsschutz noch eine tragfähige finanzielle Infrastruktur: weder ein mit Kapital und Handlungswissen ausreichend ausgestattetes Bankwesen noch die Gleichstellung mit Inlandsinvestoren. Letztlich fehlt Anlegern (noch immer) die Grundlage für langfristiges Planen und kalkulierbares politisches Risiko.

Rußland mag noch so reich an Rohstoffen und potentiellen Investitionschancen sein, seine Exportüberschüsse (inzwischen die größten in Europa) mögen noch so sehr den Rubel an den Weltfinanzmärkten stärken - solange die Regierung Medwedew/Putin ihn nicht zu einem politischer Willkür entzogenem Neutrum macht und das russische Bankwesen nicht in der Lage ist, dem US-Dollar und Euro vergleichbare Geschäftsvolumina zu finanzieren, wird sich an dieser Situation nichts ändern.

Als reine Inlandswährung mag der Rubel durchaus noch an Härte zulegen. Zur Weltwährung würde er erst, wenn die Regierung grünes Licht für eine ausländerfreundliche Gesetzgebung und den Auf- und Ausbau des inländischen Finanzsektors gibt. Die Sowjetunion war 1944 Mitbegründer der internationalen Geldordnung von Bretton Woods, von der sie sich freilich wenige Jahre später wieder verabschiedete. Rußland gewinnt mit der Neufassung dieser Ordnung (welche die Finanzmärkte wieder stabilisieren würde) die Chance, den Fortschritt im eigenen Lande voranzutreiben. Ein international attraktiver Rubel bringt Kapital und Know-how ins Land und erleichtert den Sprung von der Rohstoff- und Exportökonomie in eine breit strukturierte Industrie- und Dienstleistungsvolkswirtschaft. Er würde wie einst die zur Weltwährung aufgestiegene D-Mark ein Wirtschaftswunder einleiten und begleiten. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel leitete unter Karl Schiller die Abteilung Geld und Kredit im Bundeswirtschaftsministerium. Sein Buch "Die Euro-Lüge und andere volkswirtschaftliche Märchen" erschien 2008 im Signum-Verlag, Wien

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