© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

Von der Endlichkeit des Seins
Maler des Existentialismus: Das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main zeigt eine Werkschau des Franzosen Bernard Buffet
Claus-M. Wolfschlag

Die Wiederentdeckung gegenständlicher Malerei ist längst auch in den Kunsttempeln der Moderne eine nicht mehr übersehbare Veränderung. Das Frankfurter Museum für Moderne Kunst etwa zeigt derzeit die interessante Retrospektive eines sehr eigenständigen Malers des 20. Jahrhunderts: Bernard Buffet.

Ein wenig Kolorit der 1950er Jahre und ein wenig, wenngleich morbider, Pariser Charme durchweht die weißen Hallen des Museums. Fast meint man gelegentlich, etwa in einen alten Truffaut-Film eintauchen zu können. Tierbilder und Stilleben, leicht naiv und in gedämpften Farben, begegnen einem immer wieder. Fische, Hühnchen, 1963 eine Krähe, 1969 ein Uhu. Die alte Nähmaschine von 1949 wirkt mittlerweile schon so nostalgisch wie das 1954 gemalte Haus der "Galerie Visconti" anheimelnd. Dabei wollte der 1928 in Paris geborene Buffet keinesfalls nur stimmungsvolle Bilder für frankophile Betrachter aus Deutschland erschaffen. Nein, Kunst müsse "nicht schön" sein, hatte er einmal verkündet, und daß man "Malerei nicht mit Höflichkeit verwechseln" solle. Buffet widmete sich häufig sehr existentiellen Fragen des Menschseins, und so ist es kein Wunder, daß er als "Maler des Existentialismus" bewertet wurde.

Die Erbärmlichkeit des Körperhaften tritt in den Bildern ebenso zutage wie die Macht der Sexualität, etwa bei den, die Beine spreizenden, Strandnixen oder den "entkleideten Frauen" in Strapsen. "Le Revolver" von 1954 zeigt ein Stilleben mit auf dem Tisch liegender Pistole und einen scheinbaren Abschiedsbrief. Ein Hinweis auf Ausweglosigkeit und Endlichkeit allen Seins. Aus dem selben Jahr stammt "Der Engel des Krieges", der mit schwangerem Bauch und Schwert über die Toten und Sterbenden schwebt - eine Verarbeitung des Kriegsschreckens.

Kurz vor dem eigenen Ableben schuf Buffet eine Reihe, in der die körperliche Gebrechlichkeit thematisiert wurde, unter anderem durch ein Skelett mit Windel beim Gebet. Oftmals springt der Schrecken des Lebens unverblümt den Betrachter an. In grellem Orange starren einen die schmerzentsetzten Augen der "Gehäuteten" an. Ein "Luzifer" von 1976 wird auf einer riesigen Leinwand als erschreckendes, Menschenleiber verschlingendes Fabelwesen dargestellt. Nicht ganz fern liegt der Vergleich zu Hieronymus Bosch oder den Wasserspeiern gotischer Kathedralen. "Mittelalterlich. Dieser Begriff drängt sich mir auf, wenn ich versuche, das Werk Bernard Buffets in einem Wort zusammenzufassen", hatte der Schriftsteller Jean Cocteau 1957 geäußert.

Ausgesprochen populär in den fünfziger und sechziger Jahren, blieb der lange Verfemte stets seinem holzschnittartigen Stil, seinen hageren, knochigen Figuren mit verbittert-melancholischem Gesichtsausdruck treu, wenngleich über die Jahre verschiedene Themenzyklen auftauchten. So wechseln sich Werkserien zur Leidensgeschichte Jesu und Dantes "Göttlicher Komödie" ebenso ab wie die Akrobaten und Clowns der fünfziger Jahre, die Affenbilder der Neunziger oder diverse Stadtlandschaften. 1989 verarbeitete Buffet in einer Reihe von Großformaten die Jules-Verne-Geschichte "Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer". Taucher kämpfen gegen Haie und finden Schätze, ein eleganter Kapitän Nemo empfängt seine Gäste im Salon des U-Boots "Nautilus". Buffet schuf hier Bilder, stets eher gezeichnet denn gemalt wirkend, die sich in jedem guten Jugendbuch ausgezeichnet machen würden. Und deren Betrachtung einfach Spaß macht - ein nicht zu unterschätzender Faktor. Ein Faktor jedenfalls, der Buffet vom mächtigen modernistischen Malstrom offenbar nicht verziehen wurde. Er wurde im Laufe seiner Karriere des Konservatismus geziehen, sein Werk dem Kitschvorwurf ausgesetzt. Während seine Arbeiten schrittweise aus den Museen verbannt wurden, fanden sie umso größere Beliebtheit im Posterhandel.

Das MMK Frankfurt zeigt somit eine einzigartige Werkschau eines Meisters mit ganz eigener Handschrift und eines Menschen, der die Malerei über alles geliebt haben muß. 1999 nahm sich Buffet, nachdem er wegen einer Parkinson-Erkrankung nicht mehr malen konnte, das Leben. Die letzte von ihm selbst vorbereitete Themenausstellung trug programmatisch den Titel "La mort".

 

Die Ausstellung "Bernard Buffet: Maler Painter Peintre" ist noch bis zum 3. August im Museum für Moderne Kunst, Frankfurt, Domstraße 10, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, Mi. bis 20 Uhr, zu sehen. Tel.: 069 / 20 24 01 47

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