© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/08 15. August 2008

Wanderung durch das Sommerloch
CDU: Auf einem gemeinsamen Ausfl ug mit seinem Studienfreund Guido Westerwelle macht Friedrich Merz allen Spekulationen ein Ende
Marcus Schmidt

Wenn Friedrich Merz auf seine Partei zu sprechen kommt, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Dann beugt der hochgewachsene CDU-Politiker seinen Kopf noch etwas weiter herunter, nimmt seinen Gesprächspartner fest in den Blick und klagt über das seinem Geschmack nach unscharfe Profil der CDU und den viel zu zaghaften Umgang mit der Linkspartei und Oskar Lafontaine. "Schöne Wahlkampfplakate reichen nicht", mahnt Merz mehr Beherztheit gegenüber dem politischen Gegner an.

Er wirkt in diesen Augenblicken nicht wie jemand, der das Leben als Politiker satt hat, der leer und verbraucht ist und eine Auszeit vom Berliner Politikbetrieb nötig hat. Dennoch hat der ehemalige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion angekündigt, er werde im kommenden Jahr nicht wieder für den Bundestag kandidieren, sondern sich künftig auf seine Arbeit als Wirtschaftsanwalt konzentrieren.

Die Spekulationen um die Zukunft des redegewandten Sauerländers, der kein Geheimnis aus seinem angespannten Verhältnis zu Angela Merkel macht,  die ihn 2002 gegen seinen Willen von der Spitze der Fraktion verdrängte, waren es denn auch, die am vergangenen Wochenende eine durchaus gewöhnliche Veranstaltung mit zwei Berliner Politikern in der Provinz zu einem Medienereignis von deutschlandweiter Bedeutung werden ließen.

Denn eigentlich ist es nicht weiter der Rede wert, wenn zwei Bundestagsabgeordnete auf Einladung eines "Ferienressorts" im verkehrstechnisch vom Rest des Landes weitgehend abgeschnittenen Hochsauerland in 800 Metern Höhe eine Wanderung unternehmen, um abschließend bei Kartoffelsalat und Würstchen und Leierkastenmusik in der Festhalle eines Schützenvereins darüber zu diskutieren, warum ein neu erschienenes Malbuch für Kinder über Westfalen ausgerechnet in China gedruckt wurde.

Daß sich am vergangenen Sonnabend allerdings der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle gemeinsam aufmachten, um im Wahlkreis von Merz zu wandern und sich anschließend in einer Podiumsdiskussion über die Chancen und Risiken der Globalisierung auszutauschen, ließ die politischen Beobachter in ganz Deutschland aufhorchen. Könnte diese Wanderung nicht der erste Schritt sein auf Merz' Weg in die FDP? Schließlich sind dessen wirtschaftspolitische Vorstellungen der FDP mittlerweile viel näher als dem Kurs der Großen Koalition. Oder wird der CDU-Politiker gar die Gründung einer eigenen Partei in Aussicht stellen? Anlaß für derlei Spekulationen hatte es schon in der Vergangenheit gegeben. Anfang Juli etwa hatte Merz auf einer Diskussionsveranstaltung in Berlin mit seinem Parteifreund Heiner Geißler (JF 30/08) deutlich gemacht, wie unzufrieden er mit dem Kurs der Großen Koalition im allgemeinen und mit dem der CDU im besonderen ist.

So also folgten der Einladung des Hotelbetreibers Hapimag zur "1. Walk & Tour 2008" am Sonnabend nicht nur mehr als 100 Aktionäre des Unternehmens, sondern auch zwei Dutzend Journalisten. Für diese war die Kombination Merz/Westerwelle einfach zu verführerisch, um sie alleine der lokalen Westfalenpost zu überlassen. 

Während sich der Hapimag-Chef über seinen - allerdings bereits vor einem halben Jahr eingefädelten - Coup freute, bemühten sich Merz und Westerwelle, die sich seit ihrer Studentenzeit kennen und duzen, auffällig darum, den Eindruck einer allzu großen Vertrautheit zu vermeiden. So stieß der Wunsch der zahlreichen Fotografen, die beiden Politiker mögen doch nebeneinander im Lift zum Kahlen Asten Platz nehmen, auf Widerspruch, und auch während der von den Veranstaltern aus unerfindlichen Gründen als eine "philosophische" deklarierten Wanderung schritten beide nur auf dem ersten Teilstück Seit' an Seit'.

Schon am Start hatte Westerwelle versichert, man breche nun zu einer völlig "unschuldigen Wanderschaft" auf, und Merz hatte zweideutig hinzugefügt: "Wir kennen uns seit unserer Studentenzeit. Mehr ist es nicht." Die Gespräche der beiden waren denn auch wie nicht anders zu erwarten harmlos. Beide lobten vor allem die schöne Landschaft, und als diese an einer Stelle besonders schön war und zudem die Sonne Oberhand über die Wolken gewann, rief Westerwelle, während sich Merz die Jacke auszog: "Friedrich, jetzt ist es schön!" Ansonsten galt es für die beiden sportlich gekleideten Politiker beim Bergauf und Bergab die zahlreichen Fragen der Journalisten ("Herr Merz, werden Sie der FDP beitreten?" - "Nein") sowie die der zumeist älteren mitwandernden Hapimag-Anteilseigner zu beantworten. Und so doziert Merz routiniert erst über die Pendlerpauschale, dann über den drohenden Ärztemangel und schließlich über den Benzinpreis, dabei immer darauf achtend, nicht den sicheren Tritt zu verlieren.

Wenn aber das Gespräch auf den Zustand seiner Partei kam, änderte sich sein Ton, wich das Geschäftsmäßige der Leidenschaft. "Die Union hat immer ihre größten Erfolge gehabt, wenn sie feste Positionen vertreten hat", sagte Merz. Und sie sei immer am schwächsten gewesen, wenn sie ihre Fahnen in den Wind gehangen habe - und er ließ deutlich erkennen, in welcher Phase sich die Partei seiner Meinung nach derzeit befindet. Merz bezog seine Mahnung dabei nicht alleine auf die Wirtschafts- und Steuerpolitik, sondern ausdrücklich auch auf die Gesellschaftspolitik.

So kritisierte er zwar Roland Kochs  Kampagne gegen kriminelle Ausländer vor der hessischen Landtagswahl als überzogen, dennoch sei das Thema Integration und Einwanderung wichtig. "Ich bin der Auffassung, wir brauchen mehr Einwanderung, aber wir müssen bestimmen, wer zu uns kommt", machte Merz deutlich und empfahl den bislang nicht gerade als Konservativen in Erscheinung getretenen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Bosbach (CDU) als den Mann, der nach seinem eigenen Rückzug aus der Politik das gesellschaftspolitische Profil der Union schärfen könnte.

Wer Merz so engagiert über die Union sprechen hörte, mochte nicht recht glauben, daß sich dieser versierte Fachmann tatsächlich aus der Politik zurückzieht. Aber vielleicht gehört der Sauerländer ja tatsächlich zu der raren Sorte von Politikern, für die ein sinnvolles  Leben ohne Politik tatsächlich vorstellbar ist - und sei es auch nur für einige Monate oder Jahre.

Foto: FDP-Chef Guido Westerwelle (l.) und Friedrich Merz auf Wanderschaft im Hochsauerland: "Friedrich, jetzt ist es schön!"

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