© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/08 29. August 2008

Meldungen

Germanistik: Es zählt das moralische Kapital

FRANKFURT/M. In der Vorankündigung ihrer seit drei Wochen in Fortsetzung erscheinenden Autobiographie "unterwegs verloren" rühmt das FAZ-Feuilleton Ruth Klüger als eine der "angesehensten Germanistinnen der Welt" (24. Juli). Die literaturwissenschaftliche Zunft mag dieser Superlativ überraschen, da sie Frau Professor Klüger bislang eher der zweiten oder dritten Reihe zuordnet. Gerade die Germanisten haben sich allerdings seit langem darin geübt, fachliches durch moralisches Kapital zu ersetzen, so daß sich sowohl bei der Interpretation von Literatur wie im Ranking ihrer Interpreten die Maßstäbe mehr und mehr verschieben. Jung-Germanistin Andrea Stoll, Editorin des Mitte August bei Suhrkamp erscheinenden Briefwechsels zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann ("Opfersohn und Tätertochter"), hat von dem, was in dieser Disziplin inzwischen möglich ist, soeben eine maximal edelkitschige Kostprobe abgeliefert, wo viel vom "Niemandsland tief verstörten Sprechens" und vom "Frösteln machenden Verstummen" die Rede ist, obwohl ihre beiden Protagonisten einfach nur einen guten Psychotherapeuten benötigt hätten (FAZ vom 9. August). Läßt man auch bei Ruth Klüger fort, was sie an moralischem Prestigegewinn der "historischen Katastrophe" (Stoll) verdankt, bleibt ein autobiographischer Text, dessen sprachliche Konventionalität Gustav Freytag verpflichtet ist und der inhaltlich die vornehmlich öden Erfahrungen einer deutsch-jüdischen Germanistin in der akademischen Welt zwischen Kalifornien und New York spiegelt, die sie, gemessen allein an amoralischen Maßstäben, wohl nur als Selbstzahlerin bei Books on demand zum Druck hätte befördern können.

 

Nationalarchiv enthüllt Geheimdienstlisten

Washington. Bei noch lebenden Spionen des US-Geheimdiensts Office of Strategic Services (OSS), der Vorgängerorganisation der CIA, hat die Veröffentlichung der bisher streng geheimen Personalakten des National Archive Mitte August wenig Freude bereitet - hüteten doch einige der um die neunzig Jahre alten Agenten ihr Geheimnis selbst im familiären Kreis bis heute (NZZ, 14. August). Insgesamt haben 24.000 Amerikaner für den Geheimdienst gearbeitet, darunter der Historiker Arthur Schlesinger oder Ernest Hemingways Sohn. Bisher wurde die Zahl der Mitarbeiter auf 13.000 geschätzt.

 

Erste Sätze

Wenn Amerika niest, bekommt Europa den Schnupfen.

Caspar von Schrenck-Notzing: Zukunftsmacher. Die neue Linke in Deutschland und ihre Herkunft, Stuttgart 1968

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen