© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/08 29. August 2008

Meine Stasi: Hans-Jürgen Börner auf Spurensuche in der ehemaligen DDR
Das Antlitz der sozialistischen Ideologie bloßstellen
Christian Dorn

Einmal Stasi, immer Stasi? Die Frage gilt offenbar für beide Seiten, Spitzel wie Bespitzelte. Nur selten aber gelingt es, Täter und Opfer zusammenzubringen; und mancher leugnet bis zum heutigen Tag die ihm anhand vielfältiger Belege nachgewiesene IM-Tätigkeit - wie etwa Gregor Gysi, der immer wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. So auch in der Dokumentation des legendären NDR-Journalisten Hans-Jürgern Börner. Zwanzig Jahre nach seiner Tätigkeit als Fernsehkorrespondent in der DDR ist er für "eine Spurensuche" dorthin zurückgegangen, hat 1.800 Stasi-Akten studiert und nach den Menschen gesucht, die in den MfS-Dossiers unter IM-Decknamen geführt wurden. Börners Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, daß er am Ende doch zahlreiche Gespräche führen konnte, auch vor der Kamera. Wer seine ebenso eloquente wie messerscharfe Moderation des NDR-Satire-Magazins "extra 3" noch vor Augen hat, kann gewiß sein, daß die Spurensuche des Fernsehjournalisten Börner auch Nicht-Betroffenen einen Erkenntnisgewinn verspricht.

Ziel der Gespräche war es, die Motive der früheren IM (Inoffiziellen Mitarbeiter) zu ergründen und sie mit ihren Stasi-Berichten zu konfrontieren. So begründet Rainer Walter, der ehemalige Leiter der Hochschule für Tanz in Dresden, seine Spitzeltätigkeit mit dem Bemühen, die Grande Dame des Tanzes, Gret Palucca, in der DDR zu halten. In Bad Elster, dem berühmtesten Kurbad der DDR, bekennt ein ehemaliger IM seine Not, die ihn zur Zusammenarbeit mit der Stasi gezwungen habe. Ein Freund hatte Flugblätter zum Prager Frühling verteilt, weshalb ihm die Stasi wegen Mitwisserschaft mit Gefängnis und Enteignung drohte - und einmal mehr das "menschliche Antlitz" der sozialistischen Ideologie bloßstellte. "Daß diese Tätigkeit teuflisch war", erkennt am Ende auch ein einstiger IM, der als Sekretär des Rates des Kreises arbeitete.

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