© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/08 26. September 2008

Demokratie war gestern
Kampf gegen Rechts: Die Boykott- und Jagdszenen von Köln weisen den Weg in die Antifa-Republik
Doris Neujahr

Die Legalität des für den 20. September 2008 von der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Köln geplanten Anti-Islamisierungskongresses in der Domstadt konnte niemand bestreiten. Trotzdem haben Staat, Parteien, die Presse, der Kulturbetrieb, die Kirchen samt autonomen Prügelkommandos seinen Abbruch erzwungen. Für die Zukunft wird entscheidend sein, welche Deutung sich durchsetzt. Entweder werden die Boykott- und Jagdszenen als Ausdruck "demokratischer Zivilcourage" gefeiert, oder der Tag wird als ein Datum vermerkt, an dem die Funktionseliten blankgezogen und einem verängstigten Publikum die Instrumente gezeigt und die Bereitschaft zu ihrem Einsatz demonstriert haben. Im zweiten Fall wäre der Weg zur Antifaschistischen Republik vielleicht noch abwendbar.

Was ist mit der Antifa-Republik gemeint? Zunächst einmal ist sie gekennzeichnet durch eine Sprachpolitik, in der alle Positionen und Begriffe, die sich "rechts" von einer sich immer weiter nach links verschiebenden Mitte bzw. einem dekretierten "Konsens der Demokraten" befinden, planvoll mit dem Faschismus-Verdacht kontaminiert werden. Dieser Prozeß besitzt eine enorme Dynamik, deren Transmissionsriemen die großen Medien sind. Als Faschist gilt inzwischen schon, wer gegen Feminismus, Multikulturalismus und sogar Islamismus eintritt. Ein anderes sprachpolitisches Beispiel ist die Ersetzung des Begriffs "Ausländer", der den juristischen Unterschied zum Staatsbürger betont, durch das Wort "Migrant", das den rechtlichen auf einen folkloristischen Unterschied reduziert.

Durch die Einschränkung der Wortzahl, durch Negativ-Konnotationen und die Einengung der Bedeutungsspektren werden das Denken und die zwischenmenschlichen Kommunikationsströme in kontrollierte Bahnen geleitet. Ziel ist es, Orwellsche "Gedankenverbrechen" und ihre Umsetzung in politisches Handeln unmöglich zu machen. Infolge dieser Manipulation können die Menschen die Vorgänge nicht mehr benennen und keine Zusammenhänge mehr herstellen, es fehlen ihnen schlicht die Worte dafür.

Die Bürgerinitiative Pro Köln zieht soviel Haß auf sich, weil ihre Sprache zur Ausländerpolitik dem gesunden Menschenverstand anstatt dem Multikulturalismus-Konzept folgt. Damit sabotiert bzw. erschwert sie die Umsetzung einer Ideologie, die von ganz links bis zur CDU zur Staatsräson erhoben wird. Die Polizei, indem sie die Anti-Islamisierungskundgebung unter Hinweis auf den tobenden Autonomen-Mob verbot, hat diesem die Definitionshoheit über das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit überlassen. Sie ist dabei nicht einfach "zurückgewichen", wie besorgte Kommentatoren immerhin meinen. Offenbar gehörten das Wüten der Autonomen, ihre angemaßten Ordnungs- und Steuerungsfunktionen von Anfang an zum Kalkül der etablierten Politik und Staatsmacht. Das ist eine neue Qualität. Die Medien, private und öffentlich-rechtliche, die linke taz, Springers Welt und weitgehend auch die FAZ betätigten sich als im Gleichschritt daherkommende Propagandisten. Auch das hatte es in dieser Konsequenz noch nie gegeben.

Die Protagonisten des Kongresses wurden durch Nazi-Vergleiche entmenscht und als totale Feinde herausgestellt, mit denen man nicht diskutiert, sondern die man mundtot macht, gegebenenfalls mit Gewalt. Taxifahrer verweigerten ihre Mitnahme, Restaurants die Bedienung, Hotels kündigten die Betten, eine ganze Großstadt wurde mobil gemacht. Man wird nie wissen, wie viele Kölner sich aus Überzeugung an den Boykotten und Kundgebungen beteiligten. Viele werden nur unter dem Kollektivzwang oder aus Furcht vor antifaschistischer Vergeltung teilgenommen haben. Die Hinweisschilder mit der Aufschrift "Rechte unerwünscht" verwiesen auf die - hoffentlich nur - unbewußte Vorbildfunktion des Dritten Reiches. Die Fernsehmoderatorin, der mit dem Satz, in Köln seien "die Reihen fest geschlossen", die erste Zeile aus dem Kampflied der SA entschlüpfte, brachte mit ihrer Freudschen Fehlleistung die geschichtliche Potenz der Situation auf den Punkt. Der Antifa-Staat bedeutet institutionalisierten Bürgerkrieg!

Trotzdem - oder eben deshalb - sieht der designierte Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir Köln als ein Modell "für andere Orte in Deutschland" an, "wie die Zivilgesellschaft Rechtsextreme mit friedlichen Mitteln daran hindern kann, sich im öffentlichen Raum breit zu machen". Werden die Autonomen unter einer linken Bundesregierung als mobile Eingreiftruppe dem Personal und Haushalt des Innenministeriums zugeschlagen?

Erfreut zeigte sich auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Auf die Frage, wie er es fände, wenn eine Bewegung zur Unterstützung der multikulturellen Gesellschaft von einer Bürgermehrheit am Demonstrieren gehindert würde, sagte er, man könne "eben in der Politik und in der Demokratie nicht nur formaljuristisch argumentieren, sondern es geht schon darum, welches Anliegen welche Gruppierung vertritt". Da es selbst seine entschiedenen Gegner nicht übers Herz bringen, den SPD-Politiker für einen Nazi, Kommunisten oder anderweitig bösen Mensch zu halten, bleibt nur die Alternative bodenloser Dummheit. Denn sonst wüßte Thierse, daß der Hohn über die Formaljuristerei des Rechtsstaates am Anfang jenes Weges steht, den Hilde Benjamin und Roland Freisler, das rot-braune Doppelgestirn einer zweckorientierten Rechtsprechung, so beherzt beschritten haben.

Ebenso bestürzend wie symptomatisch war die unverhohlene Freude, die Journalisten angesichts der Steinwürfe und der körperlichen Bedrohung der Teilnehmer durch den Lynchmob bekundeten. Die ständige Unterwerfung unter politisch-ideologische Vorgaben führt offenbar zum sadistischen Kompensationsbedarf. Sozialpsychologen bietet sich reichlich Stoff, um die neuere Geschichte der Bundesrepublik als politisch, sozial, geistig und moralisch degenerative Entwicklung zu beschreiben. Im Antifa-Staat wäre sie die allein und über alles herrschende Tendenz.

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