© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/08 03. Oktober 2008

Ohne Subventionen zum Erfolg
Interview: Der bayerische Mittelständler Heinz Soyer über Bürokratie, Europapolitik und den Mangel an Unternehmernachwuchs
Wolfhard H. A. Schmid

Herr Soyer, Herr Helbig, Ihr Unternehmen wurde in diesem Jahr von der Wirtschaftsinitiative "Top Job" als einer der hundert besten mittelständischen Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichnet. Ein Grund dafür dürfte in Ihrem ungewöhnlichen Modell der Entlohnung liegen, indem Sie die Belegschaft mit variablen Prämien am monatlichen Gewinn beteiligen.

Soyer: Das kann ich bestätigen. "Mit Speck fängt man Mäuse!"- mit Prämien wird die Leistung anerkannt. Ich bin Motivator und Animator. Ich stecke so positives Denken in unsere Leute. Wir haben so auch mit ehemaligen Langzeitarbeitslosen, Kranken und Behinderten unsere Erfolge. Und: Jeder Chef hat die Mitarbeiter, die er verdient.

Als hochspezialisiertes mittelständisches Unternehmen sind Sie führend in der blitzschnellen und lochlosen Befestigungstechnik. Mit weniger als hundert Mitarbeitern sind Sie weltweit aktiv. Wie schaffen Sie das?

Soyer: Wir haben uns einen Netzwerkbetrieb aufgebaut. Im Grunde sind wir ein Handwerksbetrieb, in dem der Kunde unser Konstrukteur ist.

Helbig: Unser Netzwerk sind daher unsere Kunden. Mit Vorschlägen und Ideen der Anwender unserer Produkte werden weitere Verbesserungen erzielt.

Wo sehen Sie Ihre Stärken gegenüber den großen Wettbewerbern?

Soyer: Flexibilität und Schnelligkeit und natürlich auch Spitzenleistungen! Wir müssen uns immer vor Augen halten, daß auch unsere Wettbewerber Mittelständler sind.

Wie groß ist Ihr Umsatz? Können Sie Inlands- und Exportzahlen nennen?

Soyer: 17 Millionen, wobei Ertrag und Gewinn jährlich zweistellig wachsen. Zur Zeit haben wir etwa gleich großes Inlands- wie Exportgeschäft. Unser Ziel ist es allerdings, mittelfristig den Export auf 60 bis 70 Prozent zu steigern, aber ohne Rückgang des Inlandsgeschäftes. Wir sind sechsstelliger Gewerbesteuerzahler und siebenstelliger Einkommen- und Körperschaftssteuerzahler. Damit liegen wir im Landkreis Starnberg, der laut Statistik der reichste Deutschlands ist, mit an der Spitze der Steuerzahler.

Sie liefern auch in Länder wie China. Gibt es da keine Sorge vor einem Know-how-Diebstahl, wie man dies von anderen Mittelständlern immer wieder hört?

Soyer: Wir liefern nach ganz Asien. Wir fürchten uns nicht vor den kleinen Tigern, den großen Drachen, Elefanten oder Bären. Ja, natürlich wird gestohlen. Aber Gewinn geht vor Umsatz und das zwingt uns halt immer wieder zu neuen Innovationen, damit die Diebe immer nachhinken!

Helbig: Die Kopisten erreichen zwar unsere Qualität nicht. Aber unser guter Name leidet manchmal darunter. Wir haben sogar schon erlebt, daß man Raubkopien unserer eigenen Prospekte erstellt hat.

Soyer: Wir liefern auch sehr stark in den arabischen Raum, selbst in den Iran, aber natürlich keine Waffen! Und ich muß sagen, der Iran zahlt immer pünktlich.

Ihr Unternehmen ist jetzt bald 40 Jahre alt. Manche Mittelständler haben es wegen ihres Erfolges in der Vergangenheit versäumt, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Soyer: Innovationen und vor allen Dingen auch Investitionen müssen immer richtig und rechtzeitig gemacht werden. Wir haben beispielsweise Millionen-Investitionen in Maschinen für die Herstellung von Schweißbolzen durchgeführt, die auf unsere Produktion zugeschnitten sind. Unsere Prämisse war und ist es, in Entwicklung und Herstellung autark zu sein und zu bleiben.

Viele Mittelständler hadern mit der Politik, die selten ein Ohr für sie hat.

Soyer: Es ist richtig, daß das Umfeld schwieriger wird. Ich sage immer, man sollte die Zahl der Bürokraten halbieren und dafür die Zahl der jungen Unternehmer verdoppeln. Dann wird wieder alles besser. Gute Wirtschaftspolitik ist die beste Sozialpolitik! Der Mittelstand hat riesige Chancen, aber nicht wegen der Politik, sondern trotz der Politik. Wir sind immer zum Erfolg verdammt und verurteilt!

Mit einem Anteil von über 60 Prozent am Bruttosozialprodukt ist die mittelständische Wirtschaft der bedeutendste Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Wegen ihrer heterogenen Struktur ist sie in der Öffentlichkeit aber nur unterrepräsentiert.

Soyer: Das ist ein großer Nachteil! Die Öffentlichkeit ist sich der Wertigkeit des Mittelstandes überhaupt nicht bewußt. Der Mittelstand wird in Deutschland völlig verkannt.

Helbig: Leider berichten die meisten Medien immer nur über die großen Konzerne.

Welche Vor- und Nachteile sehen Sie für Ihr Unternehmen durch die immer größere Bedeutung der Europapolitik?

Soyer: Wegen des freien Warenverkehrs, der Einheitswährung und des Abbaus der Zollschranken ist die EU gut für uns. Ich meine, man sollte bei so einer Betrachtung nur die Chancen und nicht die Risiken sehen.

Aber immer mehr Gesetze und Regelungen kommen aus Brüssel. Hat sich Ihre Arbeit durch die Bürokratie der EU-Administration im Laufe der Jahre erschwert?

Soyer: Ja, immer mehr Stunden sind dafür notwendig.

Helbig: Was Brüssel sich ausdenkt, das wird dann von den Deutschen noch zusätzlich erschwert. Das Gegenteil passiert in Frankreich, wo man oft erst einmal neue EU-Vorschriften ignoriert.

Welche speziellen Aufgaben haben Sie sich für die nächste Zeit gestellt?

Soyer: Trotz meiner 68 Jahre eine ganze Menge! Wir sind gerade dabei, die größten Investitionen der Firmengeschichte zu tätigen, aber ohne Fördermittel oder Subventionen, worauf ich ganz besonders stolz bin. Soeben sind zwei neue Gebäude erstellt worden, davon ist ein Gebäude als Reservekapazität vorgesehen und bleibt zunächst einmal leer. Wegen unseres Wachstums in den nächsten Jahren wollen wir dann nicht wieder von vorne beginnen.

Die EU hat durch den sogenannten Bologna-Prozeß das US-Bildungssystem mit Bachelor und Master adaptiert. Wie sehen Sie dies in Hinblick auf Ihren Diplomingenieur-Nachwuchs?

Soyer: Auf akademischen Nachwuchs legen wir keinen so großen Wert. Wir sind in der Lage, auch mit Fachhochschulleuten oder nichtakademischem Nachwuchs erfolgreich zu sein. Für uns ist praktische Erfahrung und Sozialkompetenz am wichtigsten. Mein Sohn ist auch Meister. Wenn wir wissenschaftliche Hilfe bei Entwicklungen und Innovationen benötigen, gehen wir zu den Professoren der Hochschulen und an deren Institute. Mit dieser Vorgehensweise haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.

Teile der Wirtschaft klagen über Fachkräftemangel, Sie auch?

Soyer: Eigentlich weniger. Wir schulen ungelernte Kräfte selbst und organisieren die Fortbildung. Unsere Fluktuation ist gegen null. Entweder sterben unsere Mitarbeiter vor dem Ruhestandsalter oder bleiben bis zu ihrer Pensionierung bei uns.

 

Heinz Soyer: gründete 1970 den Familienbetrieb, der sich zu einem der weltweit führenden Anbieter in der Bolzenschweißtechnik entwickelte. Wolfgang Helbig ist Leiter des Einkaufs der Soyer Bolzenschweißtechnik.

 

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